Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem StVollzG. ohne Leistungsbezug nach dem SGB 12 im Anschluss an Inhaftierung. zuständiger Leistungsträger. Empfängerstatus
Leitsatz (amtlich)
§ 5 Abs 8a S 1 SGB 5 knüpft an den Empfängerstatus, dh den tatsächlichen Leistungsbezug an. Liegt ein ablehnender Bescheid des Sozialhilfeträgers über den Leistungsbezug nach dem SGB 12 vor, so sind die Voraussetzungen des § 5 Abs 8a SGB 5 ("Empfänger laufender Leistungen") nicht erfüllt.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 02.08.2007 bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 29.06.2007, längstens aber bis zur Bestandskraft des Bescheides der Beigeladenen vom 31.07.2007, Krankenversicherungsschutz als Pflichtversichertem in der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Krankenversicherungsschutz durch die Antragsgegnerin. Der Antragsteller befand sich vom 19.08.2006 bis 20.06.2007 in Strafhaft. Er erhielt am 20.06.2007 ein Entlassungsgeld i. H. v. 677,41 €. Zuvor war er bei der Antragsgegnerin pflichtversichert. Seit 20.06.2007 absolviert er eine stationäre Therapie im S. Therapiezentrum B.. Ebenfalls am 20.06.2007 beantragte er bei der Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII. Die Beigeladene verwies den Antragsteller hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes an die Antragsgegnerin. Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin die Aufnahme zur Pflichtversicherung. Mit Bescheid vom 29.06.2007 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab mit der Begründung, der Antragsteller habe eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 264 SGB V. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden wurde.
Mit Bescheid vom 31.07.2007 lehnte die Beigeladene den Antrag des Antragstellers auf Hilfe zum Lebensunterhalt ab, da der Antragsteller durch das Entlassungsgeld in der Lage sei, zurzeit seinen monatlichen Bedarf selbst zu decken.
Am 02.08.2007 hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt mit dem Ziel der Gewährung von Krankenversicherungsschutz. Er trägt vor, die Beigeladene versichere ihn nicht und die Antragsgegnerin habe die Krankenversicherung ebenfalls abgelehnt. Er sei daher seit 20.06.2007 ohne Krankenversicherungsschutz. Es sei folglich völlig unklar, wer seine Therapie bezahlen werde. Aktuell müsse er einen Zahnarzt aufsuchen. Eine private Behandlung könne er sich nicht leisten.
Die Antragsgegnerin trägt vor, die Beigeladene habe die Leistungen nach dem SGB XII zu Unrecht abgelehnt. Sofern die Beigeladene eine Anmeldung nach § 264 SGB V für den Antragsteller vornehmen würde, sei sie bereit, die Krankenbehandlung zu übernehmen.
Die Beigeladene hat mitgeteilt, dass aus Sicht des Sozialamtes § 264 SGB V keine Anwendung finde. Da der Antragsteller am Tag der Haftentlassung keine Leistungen nach dem SGB XII bezogen habe, greife für ihn die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der auch im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gilt, ist das Gericht bei seiner Entscheidung nicht an die Fassung des Antrags gebunden. Erforderlichenfalls ist das Rechtsschutzbegehren durch Auslegung des Antrags zu ermitteln. Im Zweifel wird der Rechtsschutzsuchende den Antrag stellen wollen, der ihm am besten zum Ziel verhilft (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 123 Rdn. 3). Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag des Antragstellers dahingehend auszulegen, dass er die Gewährung von Krankenversicherungsschutz begehrt, wobei dies hauptsächlich durch eine gesetzliche Pflichtversicherung erfolgen soll und hilfsweise durch Krankenversicherungsschutz nach § 264 Abs. 2 SGB V.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht - soweit ein Fall nach Abs. 1 nicht vorliegt - auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anord...