Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme des Sozialhilfeträgers für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung
Orientierungssatz
1. Nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB 12 ist bei der vom Sozialhilfeträger zu gewährenden Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung den in § 19 Abs. 3 SGB 12 genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Ein behinderter Mensch zählt nach §§ 19 Abs. 3, 53 Abs. 1 SGB 12 zum leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe.
2. Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i. S. von § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB 12 umfasst auch heilpädagogische und sonstige Maßnahmen, soweit diese geeignet und erforderlich sind, um den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen.
3. Zu diesen Eingliederungsleistungen zählt bei einem behinderten schulpflichtigen Kind die Kostenübernahme für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten.
Tenor
Der Bescheid vom 06.06.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2012 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für eine Schulung in lebenspraktischen Fähigkeiten im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe einkommens- und vermögensunabhängig zu erbringen, ggfs. der Klägerin die Kosten für bereits in Anspruch genommene Stunden nach Vorlage der Rechnung zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als Maßnahme der Eingliederungshilfe.
Die 2001 geborene Klägerin ist geburtsblind, als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen G, H, RF und BL anerkannt und bezieht Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Stufe II und lebt im Haushalt ihrer Eltern. Sie erhielt von der Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe (EGH) sog. Frühförderung bis Juli 2007 und besucht die Schule im Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte in H., zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre 2012 die 4. Regelklasse. Mit Schreiben vom 11.01.2012 beantragten die Eltern der Klägerin die Kostenübernahme für eine Schulung der Klägerin in blindenspezifischen lebenspraktischen Fähigkeiten als schulfördernde Maßnahme im Umfang von 40 Unterrichtsstunden à Euro 75,- zuzüglich Fahrzeitentschädigung i.H. von Euro 0,35 je Kilometer mit dem Schulungsort im Hause der Klägerin und legten dazu den Schulungsplan vom 03.01.2012 sowie den Kostenvoranschlag vom 04.01.2012 des Instituts für Rehabilitation und Integration Sehgeschädigter (I.) e.V. vor, das mit der Beklagten eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen hat. Darüber hinaus war dem Antrag beigefügt ein Gutachten der Klassenlehrerin K. vom 10.01.2012 zur Begründung der Gewährung des LPF-Trainings als schulfördernde Maßnahme, auf das Bezug genommen wird. Die Beklagte holte eine gutachterliche Stellungnahme beim Fachamt Gesundheit, Beratungszentrum Sehen, Hören, Bewegen, Sprechen vom 01.03.2012 ein, welches das LPF-Training in dem beantragten Umfang bei der Klägerin für dringend notwendig erachtete und befürwortete. Darauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 19.04.2012 und 27.04.2012 mit, dass die Bewilligung des LPF-Trainings grundsätzlich möglich sei, jedoch als Maßnahme zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nur einkommens- und vermögensabhängig gewährt werden könne und bat um Übersendung entsprechender Unterlagen zur Prüfung bis zum 15.05.2012. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass bei nicht fristgerechter Vorlage der Einkommensnachweise der Antrag abgelehnt werden könne. Die Klägerin erwiderte darauf mit Schreiben vom 24.04.2012 und 16.05.2012, dass nach rechtlicher Beratung eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht notwendig sei, da es sich bei der zu gewährenden Hilfe zur Erleichterung des Schulbesuchs als "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII iVm §§ 60,12 Eingliederungshilfe-Verordnung (EinghH-VO) um eine einkommens- und vermögensunabhängig zu gewährende Leistung handele. Auf die Vorlage von Einkommens- und Vermögensnachweise könne daher verzichtet werden. Darauf lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für das LPF-Training mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.06.2012 ab, da die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Dagegen erhob die Klägerin am 13.06.2012 Widerspruch und verwies zur Begründung auf ihr Schreiben vom 16.05.2012. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Hamburg am 12.10.2012 (S 20 SO 462/12) erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 20.12.2012 und wies den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das LPF-Training entgegen der Auffassung der Klägerin und der von ihr benannten Re...