Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Wunsch nach Rückkehr in häusliche Pflege. besondere Pflegekraft. lebensbedrohliche Erkrankung. Zumutbarkeit der stationären Unterbringung. Pflegemängel

 

Orientierungssatz

Zur Zumutbarkeit der weiteren vollstationären Unterbringung eines lebensbedrohlich Erkrankten in einem Pflegeheim gem §§ 61ff SGB 12 iVm § 13 Abs 1 S 4 SGB 12 trotz aufgetretener Pflegefehler.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt ambulante anstelle der bislang gewährten stationären Hilfe zur Pflege.

Der 1937 geborene Kläger, der durch seine Tochter gesetzlich betreut wird, leidet seit November 2001 an amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer progressiven degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die stets tödlich endet. Er ist mittlerweile nahezu vollständig gelähmt und kann lediglich mit der rechten Hand geringfügige Bewegungen ausführen. Bei dem Kläger ist ein Luftröhrenschnitt durchgeführt worden; die entstandene Öffnung in Hals und Luftröhre wird durch eine Trachealkanüle offen gehalten. Zugleich ist der Kläger an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Die Nahrungsaufnahme erfolgt mittels einer Ernährungssonde. Da der Kläger zudem nicht mehr sprechen kann, ist eine Kommunikation nur über Augenkontakt möglich. Neben einer Alphabettafel steht dem Kläger ein augengesteuertes Kommunikationssystem zur Verfügung.

Der Kläger lebt seit Oktober 2006 im Pflegeheim A. in Hamburg. Bis August 2003 hatte der Kläger zu Hause in F., Kreis D., gewohnt und war dort versorgt worden. Anschließend befand er sich vorübergehend in der vollstationären Pflegeeinrichtung T. in Hamburg. Von Dezember 2004 bis Oktober 2006 lebte der Kläger sodann auf einer Station für Schwerst-Schädelhirnverletzte in der Pflegeeinrichtung P. in Hamburg.

Rückwirkend zum 10.12.2004 wurde der Kläger durch Bescheid seiner Pflegekasse vom 21.02.2005 in die Pflegestufe III eingestuft. Seit 01.11.2003 werden die durch Kranken- und Pflegekasse ungedeckten Kosten für die vollstationäre Unterbringung vom Beklagten übernommen. Während der Unterbringung bei P. erbrachte der Beklagte Leistungen im Umfang von € 2.488,47 monatlich. Derzeit beträgt das Heimentgelt im Pflegeheim A. € 3.467,58 monatlich. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) beim Kläger einen außergewöhnlich hohen und intensiven Pflegebedarf festgestellt hat, trägt die Pflegekasse seit 01.12.2006 € 1.688,00 der Einrichtungskosten (Schreiben vom 12.04.2007). Der Kläger erhält daneben ein monatliches Pflegewohngeld nach dem Landespflegegesetz Schleswig-Holstein i.H.v. € 242,32, zudem verfügt er über Altersbezüge i.H.v. € 915,90 monatlich. Unter Berücksichtigung dieser Leistungen und Einkünfte trägt der Beklagte gegenwärtig insgesamt € 759,45 aus Sozialhilfemitteln.

Der Kläger musste seit Beginn der stationären Pflege mehrfach im Krankenhaus behandelt werden. In der Zeit vom 23.12.2004 bis 27.12.2004 befand er sich im Allgemeinen Krankenhaus B. (AKB). Die Aufnahme war erforderlich geworden, da es zu einer Störung der Sauerstoffversorgung gekommen war. Der Entlassungsbericht des AKB vom 27.12.2005 spricht u. a. von einer “akuten respiratorischen Insuffizienz bei Bedienungsfehler des Heimbeatmungsgerätes„. Es habe sich eine fehlerhafte Verbindung der Beatmungsschläuche des Heimbeatmungsgerätes gezeigt. Der zuständige Gerätebetreuer habe das Gerät noch im AKB wieder funktionstüchtig instand setzen können. Zur intensiven Geräteeinweisung und Unterweisung des Pflegepersonals des Pflegeheims in der korrekten Bedienung des Beatmungsgerätes sei der Gerätebetreuer am 23.12.2004 im Pflegeheim P. gewesen. Der Kläger leidet nach Angaben seiner Betreuerin seit diesem Vorfall an dauerhaften Angstzuständen, die sich in psycho-vegetativen Erschöpfungszuständen bemerkbar machen. Weitere, u. a. durch mangelnde Sauerstoffsättigung infolge verschleimter Bronchien bedingte Aufenthalte im AKB wurden notwendig im Januar, Februar, März, Juni und August 2005. Eine weitere Einweisung vom 23.07.2005 bis 29.07.2005 beruhte nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten darauf, dass die Trachealkanüle herausgerutscht war, so dass es zu Beatmungsstörungen gekommen war. Nach Angaben der Betreuerin habe sich der Kläger nicht bemerkbar machen können, da er zu dieser Zeit noch eine normale Notrufklingel gehabt habe.

Am 03.07.2005 stellte die Betreuerin des Klägers beim Beklagten den Antrag, entstehende Kosten für eine ambulante 24-Stunden-Pflege zu übernehmen, soweit diese nicht von Kranken- und Pflegekasse übernommen würden. Es sei beabsichtigt, für den Kläger eine behindertengerechte Wohnung in Hamburg anzumieten. Beigereicht wurde eine fachärztliche Bescheinigung des behandelnden Neurologen Dr. H. vom 28.06.2005, wonach der Kläger seelisch unter seiner Krankheit leide und sich die beabsichtigte ambulante Versorgung in einer Privatwohnung auf das psychische Befinden des Kläger stabilisierend und sogar befundverbessernd auswirken dürfte. Einem ersten Kostenvoranschlag des ambulanten Pfleg...

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