Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Wohnungserstausstattung. Anspruchsinhaberschaft bei Bedarfsgemeinschaft aus mehreren Personen. Antragserfordernis. Selbstbeschaffung vor Antragstellung. Rückwirkung des Antrags auf den Monatsersten. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Verletzung von Beratungs- bzw Hinweispflichten durch den Grundsicherungsträger. Fingierung rechtzeitiger Antragstellung. Auswahlermessens des Grundsicherungsträgers. Selbstbindung bzgl Erbringung von Geldleistungen

 

Orientierungssatz

1. Bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist grundsätzlich jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eines (ggf anteiligen) Anspruchs auf Erstausstattung nach § 24 Abs 3 S 1 SGB II.

2. Anträge auf Gewährung einer Erstausstattung wirken gemäß § 37 Abs 2 S 2 SGB II auf den Ersten des Monats zurück.

3. Leistungsträger nach dem SGB II sind bereits im Rahmen eines Erstkontakts mit Leistungsberechtigten, die kürzlich aus dem Ausland eingereist sind, verpflichtet, auf das Bestehen eines Anspruchs auf Erstausstattung und auf die hierfür bestehende Notwendigkeit einer Antragstellung hinzuweisen.

4. Die nach Antragstellung und vor einer Entscheidung des Leistungsträgers erfolgte Selbstbeschaffung von Erstausstattungsgegenständen steht dem Anspruch auf Erstausstattung dann nicht entgegen, wenn die Fachanweisungen des zuständigen Leistungsträgers die Gewährung von Geldleistungen als Pauschalen vorsieht.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 12.2.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.12.2019 verurteilt,

dem Kläger zu 1) für die beantragte Erstausstattung einen Gesamtbetrag von 226,50 €,

der Klägerin zu 2) für die beantragte Erstausstattung einen Gesamtbetrag von 226,50 €,

der Klägerin zu 3) für die beantragte Erstausstattung einen Gesamtbetrag von 250 €,

der Klägerin zu 4) für die beantragte Erstausstattung einen Gesamtbetrag von 250 €

zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1) - zu 4) zu tragen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die weitergehende Bewilligung von Kosten für eine Erstausstattung

Die Kläger zu 1) wohnte bis 2018 zunächst in der Stadt L und bezog von dem dortigen Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II).

Am 29.11.2018 sprachen die Kläger bei dem Beklagten vor und beantragten mündlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Kläger zu 1 teilte der Zeugin D, bei der es sich um eine Mitarbeiterin des Beklagten handelt, mit, er habe zuletzt in der Stadt L gewohnt, seine Ehefrau und Töchter, die Klägerinnen zu 2) bis 4), seien kürzlich aus Ägypten nach Deutschland gekommen und sie - die Familie - wolle noch am 29.11.2018 eine bereits angemietete Wohnung in der Stadt H beziehen. Den Klägern wurden mit dem Datum 29.11.2018 versehene Antragsformulare für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgehändigt, die sie am 10.12.2018 ausgefüllt bei dem Beklagten einreichten.

Bei den am 10.12.2018 eingereichten Unterlagen befand sich auch ein separater, auf den 29.11.2018 datierter, mit „Familie S“ unterschriebener und an die Zeugin D (Jobcenter) adressierter Antrag der Kläger zu 1) und zu 2) auf Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte und Winterkleidung für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Die Kläger zu 1) und zu 2) teilten mit, sie haben bisher per Kreditkarte die notwendigen Sachen gekauft, weshalb sie nun dringend Hilfe benötigen.

Am 10.1.2019 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum November 2018 bis Oktober 2019 unter Anrechnung von Kindergeld für die Klägerinnen zu 3) und zu 4) in Höhe von jeweils 194 €.

Mit am 25.1.2019 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben, datiert wiederum auf den 29.11.2018, wiederholten die Kläger ihren Antrag auf Erstausstattung mit dem Hinweis, dass der Antrag bisher nicht beantwortet worden sei.

Am 11.2.2019 besuchte der Außendienst des Beklagten die Kläger in ihrer Wohnung zur Prüfung der Erstausstattungsbedarfe. Demnach seien insbesondere folgende Einrichtungsgegenstände nicht vorhanden gewesen: Couchtisch, Bettrahmen, Lattenrahmen, Matratzen, Kopfkissen, Bettdecken, Bettwäsche, Kleiderschrank, Nachtschrank, Schrank Badezimmer, Tisch/Schreibtisch Kinderzimmer, Schrank/Regal Kinderzimmer und Stuhl im Kinderzimmer.

Daraufhin bewilligte der Beklagte im Rahmen eines an den Kläger zu 1) adressierten Bescheides unter Bezugnahme auf den Antrag vom 29.11.2018 eine Erstausstattung der Wohnung in Höhe von 583 €. Ausweislich eines Vermerkes eines Mitarbeiters des Beklagten errechnete sich der Betrag aus einer Erstausstattung je Kind von 71 € unter Zugrundelegung eines Bedarfes für jeweils einen Tisch in Höhe von 20 €, für einen Stuhl jeweils in Höhe von 10 € und für ein Regal bzw. Schrank in Höhe von jeweils 41 €, d.h. für 2 Kinder in Höhe von 142 € zuzüglich einer Erstausstattung de...

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