Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Arbeitsstätte im häuslichen Bereich. Verbringen des Kindes in den Kindergarten. keine Analogie oder verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7. Homeoffice
Orientierungssatz
1. Liegen Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude (sog Home-Office), ist ein Weg nach § 8 Abs 2 SGB 7 ausgeschlossen, so dann ein Wegbringen von Kindern aus arbeitsbedingten Gründen nicht vom Unfallversicherungsschutz erfasst werden kann.
2. Eine analoge Anwendung oder eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 7 kommt mangels Vorliegens einer Gesetzeslücke nicht in Betracht.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung eines Betrages, den sie für ihre Versicherte, die Beigeladene H., geboren am 1969, leistete. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei dem streitbefangenen Unfallereignis der Beigeladenen um einen Wegeunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelte.
Mit Schreiben vom 19. September 2014 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsbetrag anlässlich erbrachter Leistungen gegenüber der Beigeladenen aufgrund eines am 27. November 2013 erlittenen Unfalles an, den die Klägerin als Arbeitsunfall wertete.
In dem sodann eingeleiteten Ermittlungsverfahren befragte die Beklagte die Beigeladene zum Unfallhergang und lehnte sodann mit Schreiben vom 24. November 2014 ihre Leistungspflicht gegenüber der Klägerin ab, da ein Versicherungsfall nicht vorgelegen habe. Die Beigeladene habe sich am Morgen des 27. November 2013 nicht auf dem Weg zur Arbeit befunden. Sie habe von zu Hause aus, wo sie im Home-Office für ihren Arbeitgeber arbeite, den Weg angetreten, um ihr Kind in den Kindergarten zu bringen. Die Finalität ihres Handelns habe also nicht darin gelegen, ihren eigenen Weg zur Arbeit anzutreten, sondern darin, ihr Kind in den Kindergarten zu bringen. Dieser Weg sei aus rein privaten, eigenwirtschaftlichen Gründen erfolgt und stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nachdem die Beigeladene ihr Kind in den Kindergarten gebracht habe, sei sie zu ihrer Wohnung zurückgekehrt, um dann in ihrem Home-Office zu arbeiten. Auf diesem Rückweg habe sich der Unfall ereignet. Der Rückweg zur Wohnung teile rechtlich das Schicksal des Hinweges. Es handele sich um den unversicherten Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zurück zur Wohnung, so dass daraus im Rechtssinne kein Hinweg zur Arbeitsstätte werde, da ohne den aus privaten Gründen angetretenen Hinweg zum Kindergarten der Rückweg vom Kindergarten nach Hause nicht angetreten worden wäre.
Mit Bescheid vom 6. Januar 2015 lehnte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen die Anerkennung des streitbefangenen Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit beim Sozialgericht Hannover am 5. Januar 2015 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die Beigeladene mit dem Wegbringen ihrer Tochter in den Kindergarten sich auf dem unmittelbaren Weg zu ihrer Arbeit befunden habe, der sich durch die Arbeit zu Hause allein innerhalb des Hauses abspiele. Dieser Umstand könne jedoch nicht dazu führen, dass ihr nunmehr auf dem Rückweg zum Arbeitsplatz nach Durchführen des Verbringens der Tochter in den Kindergarten der in § 8 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII normierte Unfallversicherungsschutz verwehrt werde. Dies käme einer Ungleichbehandlung der zu Hause arbeitenden Arbeitnehmer gleich im Vergleich zu den übrigen Arbeitsnehmern, die sich regelmäßig zu ihren außerhalb liegenden Arbeitsstellen begeben müssten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 19.124,22 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII stelle grundsätzlich unversicherte Umwege unter bestimmten Voraussetzungen unter Unfallversicherungsschutz. Es seien schon nach dem Wortlaut der Vorschrift Abweichungen vom Arbeitsweg versichert und nicht der ausschließlich zum Zweck des Wegbringens unternommene Weg. Der Weg müsse also eine Kombination aus Arbeitsweg und Wegbringen bzw. Abholen des Kindes darstellen. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn der Rückweg der Beigeladenen vom Kindergarten nach Hause, wo sich ihr Arbeitsplatz befand, stelle keinen Arbeitsweg dar. Der Kindergarten sei insbesondere nicht als sogenannter dritter Ort einzuordnen, von dem aus die Verletzte ihren Weg zur Arbeit angetreten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen. Die Akten haben der Kammer vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung gewese...