Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütungsanspruch eines Apothekers. Retaxierung im Zusammenhang mit der Abgabe des Arzneimittels Revlimid auf T-Rezepten. keine Bestätigung der Aushändigung von Informationsmaterialien

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 3a Abs 2 AMVV ist die (isolierte) Bestätigung der Aushändigung von Informationsmaterialien für die Verordnung von Revlimid (Lenalidomid) nicht erforderlich.

2. Das Fehlen des zweiten Kreuzes auf einem sog T-Rezept begründet kein Recht der Krankenkasse auf Retaxierung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.08.2021; Aktenzeichen B 3 KR 12/21 B)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 37.563,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um fünf Retaxierungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Abgabe des Arzneimittels Revlimid.

Der Kläger ist Inhaber der H. in I.. Aufgrund von Verordnungen vom 29.04.2009, 09.06.2009, 29.07.2009, 04.09.2009 und 29.01.2010 gab er an die bei der Beklagten versicherten J. jeweils das Medikament Revlimid aus. Das Medikament wurde auf so genannten T-Rezepten verordnet, die die folgenden vier, vom verordnenden Arzt ankreuzbaren Felder enthalten:

-

Alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel werden eingehalten

-

Dem/der Patient(in) wurde vor Beginn der Behandlung medizinisches Informationsmaterial entsprechend den Anforderungen der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel sowie die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt

-

Behandlung erfolgt innerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (In-Label)

-

Behandlung erfolgt außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (Off-Label)

Auf allen Verordnungen hatte der behandelnde Arzt der Versicherten, K., das erste (Sicherheitsbestimmungen eingehalten) und dritte Feld (In-Label) angekreuzt. Das zweite Feld hatte er jeweils frei gelassen.

Die Beklagte vergütete dem Kläger die sich aus den Verordnungen ergebenden Beträge zunächst. Mit Schreiben vom 19.03.2010 führte sie eine Abrechnungskorrektur für die Rezepte vom 29.04.2009 und 09.06.2009 durch und forderte die gesamte Vergütung von insgesamt 15.025,22 EUR vom Kläger zurück. Zur Begründung führte sie an, auf der Verordnung fehlten Angaben laut § 3a Abs. 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV).

Hiergegen legte der Kläger am 24.03.2010 Einspruch ein. Bei der Patientin handele es sich um seine Tante. Ihm sei bekannt, dass sie im Klinikum sowie nochmals in der Apotheke umfassend über die Therapie informiert worden sei. Alle Sicherheitsbestimmungen seien eingehalten worden, was auf dem Rezept durch Ankreuzen dokumentiert sei. Natürlich gebe der Arzt nicht jedes Mal vor einer erneuten Revlimid-Therapie das gesamte Informationsmaterial mit. § 3a AMVV spreche im Übrigen davon, dass die Gebrauchsinformation vor Beginn der Behandlung ausgehändigt werden müsse und nicht bei jedem Folgerezept. Der Kläger legte außerdem eine Stellungnahme des behandelnden Arztes vor, der bestätigte, dass das Ankreuzen des zweiten Feldes versehentlich nicht erfolgt sei. Tatsächlich sei die Patientin aufgeklärt worden.

Mit Schreiben vom 01.04.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie dem Einspruch nicht abhelfe.

Am 07.05.2010 führte die Beklagte eine Abrechnungskorrektur für die Verordnung vom 29.07.2009 sowie für eine weitere, hier nicht streitgegenständliche Verordnung durch. Auch hier retaxierte sie den gesamten Vergütungsbetrag in Höhe von 7.512,61 EUR mit der Begründung, es fehlten Angaben lt. § 3a Abs. 2 AMVV. In einem Schreiben an den Vorstand der Beklagten vom 12.05.2010 widersprach der Kläger auch dieser Rückforderung. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 26.05.2010 mit, dass sie auch diesem Einspruch nicht abhelfe.

Am 02.07.2010 und 26.11.2010 retaxierte die Beklagte - ebenfalls mit dem Verweis auf die fehlenden Angaben nach § 3a Abs. 2 AMVV - die Vergütung für die Verordnungen vom 04.09.2009 und 29.01.2010 in Höhe von jeweils 7.512,61 EUR. Hiergegen legte der Kläger am 19.07.2010 und 06.12.2010 Einspruch ein. Die Beklagte teilte ihm ihre Nichtabhilfeentscheidung mit Schreiben vom 19.07.2010 und 10.01.2011 mit.

In der Folge verrechnete die Beklagte die geltend gemachte Rückforderung für die Verordnung vom 04.09.2009 mit unstreitigen Forderungen des Klägers aus laufenden Arzneimittellieferungen. Die übrigen Vergütungen zahlte der Kläger unter Vorbehalt an die Beklagte zurück.

Am 08.04.2011 hat er Klage erhoben.

Er ist der Auffassung, die Bestimmungen des § 3a Abs. 2 AMVV seien bei sämtlichen streitgegenständlichen Rezepten eingehalten worden. Alle Rezepte enthielten die Bestätigung des Arztes, dass die Sicherheitsmaßnahmen gem. der aktuellen Fachinformationen des entsprechenden Fertigarzneimittels eingehalten worden seien. Das obere Kästchen sei jeweils angekreuzt. Nur diese Bestätigung fordere auch das Bundesin...

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