Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. kein Mehrbedarf für kostenaufwändiger Ernährung bei Morbus-Crohn-Erkrankung. Empfehlung des Deutschen Vereins aus 2008. Anwendung als antizipiertes Sachverständigengutachten. wechselnder Krankheitsverlauf. Nachweis der besonderen Ernährung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge eV sind nach ihrer Überarbeitung und Veröffentlichung in der 3. Auflage vom 1.10.2008 wieder als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen (Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 3.2.2009 - L 9 B 339/08 AS = ZFSH/SGB 2009, 364).
2. Eine Morbus-Crohn-Erkrankung erfordert bei minderschwerem Verlauf keine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB 2.
3. Bedarf eine Erkrankung (hier: Morbus Crohn) zur Meidung von Gesundheitsrisiken oder gesundheitlichen Fehlentwicklungen nicht generell, sondern nur abhängig von ihrem Verlauf - zB bei einer vorübergehenden Verschlimmerung - einer besonderen Ernährung, muss der Hilfebedürftige zumindest durch Benennung von Anknüpfungstatsachen darlegen, wann welcher Mehrbedarf bestanden hat und wie sich dieser von einem beschwerdefreien Intervall unterscheidet.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die beklagte SGB II-Trägerin einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus Anlass einer Darmerkrankung (Morbus Crohn) abgelehnt hat.
Der 1960 geborene Kläger bezieht seit mehreren Jahren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er leidet an Morbus Crohn und erhöhtem Körpergewicht (91 kg Körpergewicht bei einer Körpergröße von 178 cm = Body Mass Index (BMI) 28).
Am 24.04.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen erkrankungsbedingten Zuschlag zur Regelleistung. Die Beklagte holte daraufhin eine amtsärztliche Stellungnahme der Frau Dr. E. ein. Diese führte unter dem 29.07.2009 im Wesentlichen aus, dass der Allgemeinzustand nicht schwer beeinträchtigt sei. Eine die erkrankungsbedingten Beeinträchtigungen beeinflussende Diät sei nicht bekannt. Soweit ein schwerer Erkrankungsschub auftrete sei zwar eine sog. Formeldiät erforderlich. Diese werde jedoch üblicherweise im stationären Rahmen durchgeführt. Bei leichteren Erkrankungsschüben und in der übrigen Zeit solle individuellen Unverträglichkeiten durch eine Ernährungsanpassung Rechnung getragen werden. Es sei keine spezielle Kost, sondern lediglich eine ausgewogene Mischkost bei Meidung unverträglicher Nahrungsmittel erforderlich.
Mit Bescheid vom 31.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2009 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ab.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er sieht einen Mehrbedarf, den er zunächst durch eine Bescheinigung des Internisten Dr. F. vom 15.12.2009 begründet. Dieser hat unter Verweis auf den Befundbericht vom 23.06.2009 mitgeteilt, es bestehe beim Kläger eine schwierige Situation, da die Standardtherapie mit Mesalazin und Azathioprin bei Unverträglichkeitsreaktion nicht durchgeführt werden könne. Es sei zum mehrfachen Wiederaufflammen der Erkrankung gekommen, die dann sowohl mit Diarrhoen als auch mit starken Schmerzen einhergingen. Insbesondere bei den Schüben des Morbus Crohn aber auch im Intervall sei der Kläger immer wieder auf spezielle Nahrungsmittel angewiesen (z. B. lactosefreie Kost, Zusatzernährung, die kalorienreich und flüssig sowie leicht resorbierbar sei). In dem Befundbericht vom 23.06.2009 berichtet Herr Dr. F. u. a. von einem Erkrankungsschub im März 2009 und nachfolgender medikamentöser Behandlung. Der Patient habe jetzt nur noch 1 - 2 Mal Diarrhoen pro Tag, praktisch keine Schmerzen mehr. Eine Reduzierung der Cortison-Dosis bis zur Einstellung solle innerhalb von drei Wochen möglich sein. Ferner hat der Kläger eine Aufstellung von verschiedenen Lebensmitteln eingereicht, Quittungen lägen ihm hierzu nicht mehr vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 105 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 07.04.2010 unter Hinweis auf die im ausführlich begründeten Beschluss vom 22.02.2010, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist, gehört wurden.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 31.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2009. Soweit der Kläger sich auch gegen den Bewilligungsbescheid vom 10.09.2009 wendet, enthält dieser keine eigenständige Rege...