Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Nachgewährung von Grundleistungen. Gegenwärtigkeitsprinzip. rückwirkende Leistungsgewährung nur im Ausnahmefall. selbstbeschaffte Leistungen. Abweichen vom Vorrang der Sachleistungsgewährung. Gewährung als Geldleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der in einem Leistungsbescheid enthaltenen Aufteilung der errechneten und bewilligten Grundleistungen in einen Barbetrag und einen weiteren Betrag, der dem Leistungsberechtigten in Wertgutscheinen ausgehändigt wird, handelt es sich um einen rechtlich abtrennbaren Streitgegenstand, der einer isolierten gerichtlichen Überprüfung außerhalb eines sog Höhenstreits zugänglich ist.
2. Das Gegenwärtigkeitsprinzip prägt das Recht der Asylbewerberleistungen nach dem AsylbLG. Die Existenzschwäche des Hilfeanspruchs nach dem AsylbLG zeitigt daher den Vorrang der Sachleistungsgewährung.
3. Die Nachgewährung von Grundleistungen gem § 3 Abs 2 AsylbLG hat stets in Form von Geldleistungen zu erfolgen.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung ihrer Bescheide vom 29. Juli und 27. September 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2011 und ihres Änderungsbescheides vom 10. September 2012 verurteilt, den Klägerinnen die für August 2011 in Wertgutscheinen i.H.v. 40,00 Euro nachgewährten Grundleistungen Zug um Zug gegen die Zahlung von Bargeld in selber Höhe umzutauschen.
Die Beklagte hat den Klägerinnen ein Drittel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen noch um die Frage der Art und Weise der Nachgewährung von höheren, verfassungsmäßigen Grundleistungen gem. § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Monat August 2011, die in Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (- 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 -, BGBl I. 2012, S. 1715 f. = NVwZ 2012, S. 1024 ff.) den drei Klägerinnen von der Beklagten erst im September 2012 bewilligt und ausgehändigt wurden.
Grundlage der Leistungsbewilligung gegenüber den drei Klägerinnen sind die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli und 27. September 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2011 und ihres gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzubeziehenden Änderungsbescheides vom 10. September 2012, mit denen die Beklagte den Klägerinnen für den streitgegenständlichen Monat August 2011 zuletzt Grundleistungen i.H.v. zusammen 1.249,- € bewilligt und in Umsetzung dieser Bewilligung einen Betrag i.H.v. 210,20 Euro in bar nachgezahlt und daneben den Klägerinnen Wertgutscheine der Fa. L. in unterschiedlicher Stückelung und mit beschränkter Einlösbarkeit hinsichtlich der in § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG aufgezählten Warengruppen, jeweils gültig bis zum 31. Dezember 2012, mit einem Gesamtwert von 40,68 Euro ausgehändigt hat. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Grundleistungen und der Zuordnung der errechneten Beträge zu den einzelnen Klägerinnen sowie der Entscheidung über die Zahlwege, die die Beklagte am Schluss des Berechnungsbogens des Änderungsbescheides vom 10. September 2012 unter der Überschrift "Dieser Betrag wird folgenden Zahlungsempfängern zugeordnet:" vorgenommen hat, wird auf die e.g. Bescheide der Beklagten (Bl. 14 f., 17 f., 20 f. und 42 f. der Gerichtsakte) verwiesen.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagte habe ihre gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG nach pflichtgemäßer Ausübung ihres Auswahlermessens zu treffende Entscheidung über die Gewährung von Grundleistungen in Form von Ersatzleistungen ermessensfehlerhaft herbeigeführt. Sie habe hinsichtlich der Nachgewährung eines Teilbetrages von 40,68 Euro in Wertgutscheinen zur Sicherung des physischen Existenzminimums von vornherein kein Ermessen ausgeübt, weil sie rechtsfehlerhaft von einem Rangverhältnis der Ersatzleistungen innerhalb des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG ausgehe. Der von ihr vertretene Nachrang von Geldleistungen gegenüber Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen lasse sich weder nach dem Wortlaut der Norm noch der Gesetzeshistorie und dem Willen des Gesetzgebers begründen. Sie hätten daher gegenüber der Beklagten aufgrund der besonderen Konstellation der Nachgewährung von Grundleistungen einen weitergehenden Anspruch auf Geldleistungen, zumindest aber auf Neubescheidung unter fehlerfreier Ausübung des Auswahlermessens.
Nachdem die Klägerinnen ihr ursprüngliches, auf den Umtausch von Wertgutscheinen i.H.v. 120,00 Euro gerichtetes Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf den Umtausch der für den Monat August 2011 nachgewährten Gutscheinleistungen i.H.v. 40,68 Euro beschränkt und im Übrigen die Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragen sie nunmehr,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung ihrer Bescheide vom 29. Juli 2011 und 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2011 in Gestalt des einzubeziehenden Änderungsbescheid...