Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Leistungsausschluss für Auszubildende. Ausbildungsförderung. keine abstrakte Förderungsfähigkeit. Vorbereitungszeit zum Erwerb des akademischen Titels eines Doktors der Humanmedizin
Leitsatz (amtlich)
Die Vorbereitungszeit zum Erwerb des akademischen Titels eines Doktors der Humanmedizin ("Promotionsstudium") ist auch dann keine iS des § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, wenn der Hilfebedürftige mit diesem Ziel bei einer Universität immatrikuliert ist (Abweichung von SG Nordhausen vom 23.11.2010 - S 12 AS 9949/09 ER).
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 10.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers vom 07.05.2010 auf Leistungen nach dem SGB II unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Leistungszeitraum 07.05.2010 bis 30.06.2010 zu bescheiden; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für einen Zeitraum, während dessen der Kläger im Zusammenhang mit der von ihm beabsichtigten Promotion bei einer Universität immatrikuliert war.
Der 1984 geborene Kläger studierte seit April 2004 Humanmedizin an der G. in H.. Am 05.05.2010 legte er erfolgreich die Staatsprüfung ab. Mit Wirkung vom 06.05.2010 wurde die Immatrikulation des Klägers mit dem Ziel Staatsexamen auf das Ziel Promotion im Bereich Humanmedizin geändert.
Am Freitag, den 07.05.2010 beantragte er bei der Stadt H. Leistungen nach dem SGB II und reichte am 10.05.2010 den ausgefüllten Leistungsantrag ein. Mit Bescheid vom 10.06.2010 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil der Kläger als Promotionsstudent immatrikuliert sei. Es handele sich dabei um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung.
Den hiergegen unter dem 15.06.2010 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2010 zurück.
Der Kläger geht seit 01.07.2010 einer Erwerbstätigkeit als Assistenzarzt nach.
Mit der Klage wendet der Kläger sich gegen die Ablehnung von Leistungen im Zeitraum vom 06.05.2010 bis 30.06.2010.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 06.05.2010 bis zum 30.06.2010 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und beruft sich auf das Urteil des Sozialgerichts I. vom 23.11.2010 - S 12 AS 9949/09 ER -.
Das Gericht hat die Promotionsordnung der G. vom 14.07.2008 hinzugezogen.
Die Beteiligten haben sich mit ihren Schriftsätzen vom 03.02. und 21.02.2011 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die am 01.11.2010 bei Gericht eingegangene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil beide Beteiligte sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die zulässige Klage ist überwiegend im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, und Verpflichtung zur erneuten Entscheidung über den Leistungsantrag des Klägers begründet.
Nach § 131 Abs. 5 Satz 1 und 2 Hs. 1 SGG kann das Gericht bei einer Anfechtungs- und Leistungsklage einen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, die noch erforderlichen Ermittlungen nach Art oder Umfang erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Nach § 131 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2, Abs. 3 der Vorschrift ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Eine weitere Sachaufklärung ist erforderlich, weil es der Beklagte unterlassen hat, die Tatsachen, aus denen sich die Höhe des Leistungsanspruchs ergibt, zu ermitteln.
Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger von Leistungen nach dem SGB II im Hinblick auf die im streitigen Zeitraum bestehende Immatrikulation bei der G. mit dem Ziel der Promotion und die Vorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen ist und deshalb diese Ermittlungen entbehrlich sind.
Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Die Förderung...