Entscheidungsstichwort (Thema)

Medizinische Rehabilitation. Versorgung mit einem Hörgerät. Kostenerstattung. zuständiger Rehabilitationsträger. unzulässige Aufspaltung des Antrags. Mitteilung. keine zur Selbstbeschaffung berechtigende Ablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein unzulässiges Antragssplitting begründet nicht die Zuständigkeit des Splittingadressaten nach § 15 Abs 1 SGB IX (juris: SGB 9 2018).

2. Die Mitteilung eines zu Unrecht durchgeführten Antragssplittings gegenüber dem Antragsteller stellt keine zur Selbstbeschaffung berechtigende Ablehnung iSv § 18 Abs 6 S 1 SGB IX dar.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2019 wird aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu ¼ zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der über den Festbetrag nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hinausgehenden Kosten für die Versorgung des Klägers mit dem Hörgerät ReSound Enya 3 EY362-DRVV auf beiden Ohren.

Bei dem am ... Januar 1956 geborenen, mittlerweile berenteten Kläger besteht seit geraumer Zeit eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Er ist bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Die Beklagte ist der für ihn zuständige Rentenversicherungsträger. Im Juli 2019 stellte die Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. S. dem Kläger, der im Jahr 2019 noch als angestellter Elektrotechniker berufstätig war, eine Verordnung für neue Hörgeräte aus.

In der Folgezeit erprobte der Kläger bei dem Hörgeräteakustiker K. Hörgeräte des Modells ReSound LiNX 3D 5 LT561-DRW MP und beantragte bei der Beigeladenen die Übernahme der Kosten. Diese erließ am 26. August 2019 einen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen Bescheid, wonach sie dem Kläger einen - dem Festbetrag nach dem SGB V entsprechenden - Zuschuss von 1.635,00 € zu der Hörgeräteversorgung gewähre. Sie führte weiter aus, ein berufsbedingter Mehrbedarf sei aus den eingereichten Unterlagen nicht ersichtlich. Die eingereichte Versorgung ReSound LiNX 3D 5 LT561-DRW MP sei jedoch für die Versorgung nicht geeignet, weil eine Überstärkung und somit eine unnatürliche Geräuschwahrnehmung nicht ausgeschlossen sei. Als Alternative schlage sie die Hörgeräte ReSound Vea 2 VE270-DVI, Starkey kdo i4 Hd0 312 oder Audio Service Volta XS C vor. Der Kläger möge seinen Hörgeräteakustiker diesbezüglich konsultieren.

Am 6. September 2019 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen über seinen Hörgeräteakustiker nach vorausgegangener Erprobung die Versorgung mit Hörgeräten des Modells ReSound Enya 3 EY362-DRVV. In dem beigefügten Kostenvoranschlag ging der Hörgeräteakustiker von einem Gesamtpreis von 2.186,00 € aus. In einem weiteren, an den Kläger gerichteten Schreiben bezifferte er dessen Eigenanteil mit 731,00 €.

Mit Schreiben vom 9. September 2019 führte die Beigeladene gegenüber dem Kläger aus, sie gewähre ihm im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs einen Zuschuss für die Hörgeräte in Höhe von 1.635,00 €. Sie habe die Unterlagen zur Prüfung der Mehrkosten an die Beklagte als zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet, da ein berufsbedingter Mehrbedarf bestehen könnte. Weitere Informationen werde er von der Beklagten erhalten. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Ebenfalls unter dem Datum des 9. September 2019 richtete die Beigeladene ein Schreiben an die Beklagte. Darin führte sie aus, sie habe ihren Anteil im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs erfüllt. Sie habe jedoch festgestellt, dass sich ein berufsbedingter Mehrbedarf ergeben könnte. Sie leite daher „einen Teil des Antrags“ an die Beklagte weiter.

Am 23. September 2019 erwarb der Kläger die Hörgeräte des Typs ReSound Enya 3 EY362-DRVV.

Am 24. September 2019 erließ die Beklagte einen abschlägigen Bescheid. Dem Antrag des Klägers könne sie nicht entsprechen. Die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erfüllt. Seine Tätigkeit als Projektleiter für Elektrotechnik umfasse keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung. Die Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch, auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen, stelle Anforderungen an das Hörvermögen, die beinahe bei jeder Berufsausübung bestünden und daher keine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage begründen könnten.

Am 4. Oktober 2019 erhob der Kläger Widerspruch hiergegen. Zur Begründung führte er aus, da er auch auf Großbaustellen im Rahmen der Bauüberwachung tätig sei, benötige er höherwertige Hörgeräte, die sich automatisch wechselnden Geräuschkulissen anpassten. Außerdem fänden an drei bis vier Tagen pro Wochen Besprechungen mit bis zu 15 Personen statt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, in der beruflichen Tätigkeit als Projektleiter für Elektrotechnik bestünden kei...

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