Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Voraussetzungen eines Anspruchs auf Pflegeleistungen. Feststellung von Pflegebedürftigkeit. Zuerkennung des Pflegegrades 2. Erfordernis gesundheitlich bedingter Beeinträchtigungen der Selbständigkeit mit Gesamtpunktwert von wenigstens 27. Einschränkungen im Kontakt mit Menschen außerhalb des direkten Umfelds ohne Bedeutung
Orientierungssatz
1. Nach § 36 SGB 11 haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung. Sie können anstelle der häuslichen Pflegehilfe Pflegegeld erhalten.
2. Für die Zuerkennung des Pflegegrades 2 ist erforderlich, dass bei dem Pflegebedürftigen gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder dessen Fähigkeiten entsprechend § 14 Abs 2 SGB 11 bestehen, welche mit einem Gesamtpunktwert von wenigstens 27 zu bemessen sind.
3. Hierbei sind Einschränkungen im Kontakt mit Menschen außerhalb des direkten Umfelds ohne Bedeutung. Nach 4.6.6 der Beurteilungsrichtlinien kommt es bei solchen Kontaktpersonen nur darauf an, ob eine Kontaktgestaltung der Person, zB mit Telefon, noch möglich ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung mindestens nach dem Pflegegrad 2 ab Antragstellung am 10. August 2017.
Die ... 1953 geborene Klägerin beantragte am 10. August 2017 erstmals bei der Beklagten die Gewährung von Sachleistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten. Die Pflegefachkraft ... gelangte in dem Gutachten vom 02. November 2017 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei der Beurteilung ihrer Pflegebedürftigkeit 20 gewichtete Punkte erreiche und damit die Voraussetzungen für den Pflegegrad 1 erreicht seien (Mobilität: 0 Punkte; kognitive und kommunikative Fähigkeiten und Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: 0 Punkte; Selbstversorgung: 10 Punkte; Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: 10 Punkte; Gestaltung des Arbeitslebens und sozialer Kontakte: 0 Punkte).
Mit Bescheid vom 06. November 2017 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem Pflegegrad 1.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, in nahezu allen Modulen bestehe ein zumindest erheblicher Hilfebedarf. Hierzu verwies sie auf den ausgefüllten Ausdruck eines Pflegegradrechners, in dem die von ihr geltend gemachten Beeinträchtigungen Berücksichtigung finden. Im Modul 2 sei nicht berücksichtigt, dass sie unter erheblichen Gedächtnisstörungen leide. Zudem seien im Modul 3 die stark ausgeprägten Schlafstörungen und gravierende Ängste zu berücksichtigen. Bei der Selbstversorgung (Modul 4) sei bei nahezu ein Verrichtungen im Bereich der Körperpflege zumindest ein geringfügiger Hilfebedarf anzuerkennen. Im Modul 5 seien wöchentliche Arztbesuche zu beachten. Hinsichtlich des Moduls 6 sei zu berücksichtigen, dass sie teilweise tagelang nur im Bett liegen könne.
Die Beklagte ersuchte den MDK erneut um Begutachtung. Die Pflegefachkraft ... bestätigte im Gutachten vom 30. Mai 2018 das Ergebnis des Erstgutachtens (Pflegegrad 1). Abweichend zum Erstgutachten berücksichtigte sie für das Modul 1 2,5 gewichtete Punkte (insgesamt 22,5 gewichtete Punkte).
Durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des Pflegegrades 2 seien nach den Feststellungen des MDK nicht erfüllt.
Aus diesem Grund hat die Klägerin am 18. Dezember 2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr bisheriges Begehren weiter verfolgt. Zur Klagebegründung trägt sie im Wesentlichen vor, aufgrund erheblicher orthopädischer und internistische Einschränkungen sowie schwerer Schmerzzustände nicht mehr in der Lage zu sein, selbstständig zu leben. Sie benötige bei fast allen Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfe. Im Modul 1 seien insgesamt fünf gewichtete Punkte anzurechnen; so sei das Halten einer stabilen Sitzposition zeitweise eingeschränkt und beim Aufstehen und Umsetzen bestünden erhebliche Einschränkungen. 3,75 gewichtete Punkte seien im Modul 2 gerechtfertigt, da sie an einer verminderten Erinnerungsfähigkeit mit entsprechenden Einschränkungen leide. Bei den psychischen Problemlagen seien unberücksichtigt ihre großen Ängste vor einer weiteren Verschlechterung und die nächtliche Unruhe. Zudem sei sie zermürbt aufgrund der vorliegenden Dauerschmerzen. Ebenso sei die fünffache Injektion von Insulin aufgrund der Diabetes-Erkrankung täglich zu berücksichtigen. Im Modul 6 sei übersehen worden, dass alle Freundschaften über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus eingeschlafen seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachv...