Tenor
1. Die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage wird abgetrennt, abgewiesen und unter einem noch zu vergebenden Aktenzeichen aktenmäßig bis zur Unanfechtbarkeit der diesbezüglichen Klageabweisung weiter fortgeführt, soweit die Klägerin beantragt, den Beklagten zur teilweisen Aufhebung seines Bewilligungsbescheides vom 11.03.2022 in dessen Fassung durch den Änderungsbescheid vom 02.08.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2022 zu verurteilen und ihn dergestalt zur Abänderung seines Bewilligungsbescheides vom 06.07.2021 zu verpflichten, dass der Beklagte ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar 2021 in gesetzlicher und verfassungskonformer Höhe auch unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs zur Deckung von Aufwendungen aus Anlass der COVID-19Pandemie gewährt.
2. Die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage wird abgetrennt, abgewiesen und aktenmäßig bis zur Unanfechtbarkeit der diesbezüglichen Klageabweisung unter einem weiteren noch zu vergebenden Aktenzeichen weiter fortgeführt, soweit die Klägerin beantragt, den Beklagten zur teilweisen Aufhebung seines Änderungsbescheides vom 11.05.2022 in dessen Gestalt durch den Widerspruchsbescheid vom 08.09.2022 zu verurteilen und ihn dergestalt zur Abänderung seines Bewilligungsbescheides vom 10.01.2022 zu verpflichten, dass der Beklagte ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Oktober 2021 in gesetzlicher und verfassungskonformer Höhe auch unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs zur Deckung von Aufwendungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie gewährt.
3. Im Übrigen wird das Klageverfahren S 12 AS 2208/22 nach Artikel 100 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes ausgesetzt.
4. Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 70 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung des Artikel 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Regelung einer Einmalzahlung der Grundsicherungssysteme an erwachsene Leistungsberechtigte und zur Verlängerung des erleichterten Zugangs zu sozialer Sicherung und zur Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie (Sozialschutz-Paket III) vom 10.03.2021 mit Wirkung vom 01.04.2021 mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes und dem Allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist.
5. Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 73 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung des Artikel 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages und einer Einmalzahlung in den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und weiterer Gesetze vom 23.05.2022 mit Wirkung vom 01.06.2022 mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes und dem Allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist.
6. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, soweit das Gericht unter Ziff. 1. und 2. die Klage abgetrennt sowie abgewiesen hat und sie bis zur Unanfechtbarkeit dieser Klageabweisungen unter den noch zu vergebenden Aktenzeichen fortführt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt vom Jobcenter als örtlichen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II):
a) die erstmalige Leistungsgewährung (auch) für die zwei jeweils bereits zum Zeitpunkt der Leistungsantragstellung bzw. Folgeantragstellung verstrichenen Monate
aa) Januar 2021 und
bb) Oktober 2021
sowie
b) die Gewährung höherer Leistungen als bislang bewilligt unter zusätzlicher Berücksichtigung eines monatlichen (mtl.) Mehrbedarfs für Aufwendungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie
aa) für den früheren Bewilligungszeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 und
bb) für den späteren Bewilligungszeitraum Oktober 2021 bis April 2022.
1.
Die für den Rechtsstreit maßgeblichen Lebensverhältnisse der erwerbsfähigen, aber vermögenslosen Klägerin stellen sich wie folgt dar:
Bei ihr handelt es sich um eine 1969 in Kirgisistan geborene, alleinstehende deutsche Staatsangehörige. Sie erzog zwei inzwischen volljährige Töchter: Ihre 1995 geborene Tochter konnte 2020 von zuhause ausziehen und in München eine Berufstätigkeit als „Junior Consultant“ einer Münchner Steuerberatungsgesellschaft aufnehmen. Derweil musste die andere, geistig schwer behinderte Tochter der Klägerin noch in deren Haushalt verbleiben, damit dort unter Angehörigen die Pflege sichergestellt wurde, bis sich im August 2022 eine anderweitige Unterbringung auftat.
Währenddessen bezog diese erwerbsunfähige Tochter der Klägerin zur Sicherstellung ihrer existentiellen Bedürfnis...