Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Bezugsberuf nach längerer Arbeitslosigkeit. Verschuldenskosten. rechtsmissbräuchliche Fortführung eines Rechtsstreites

 

Leitsatz (amtlich)

Der maßgebliche Bezugsberuf für die Feststellung eines Rehabilitationsbedarfs ändert sich nicht durch Zeitablauf. Auch nach längerer Arbeitslosigkeit können Versicherte insoweit nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.

 

Orientierungssatz

1. Der fehlende Bezug auf § 43 SGB 6 in § 10 Abs 1 SGB 6 macht deutlich, dass der Rehabilitationsbedarf unabhängig von der grundsätzlichen Einsetzbarkeit des Versicherten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu beurteilen ist (vgl BSG vom 17.10.2006 - B 5 RJ 15/05 R = SozR 4-2600 § 10 Nr 2 und vom 29.3.2006 - B 13 RJ 37/05 R = SozR 4-2600 § 10 Nr 1).

2. Zur Auferlegung von Verschuldenskosten bei rechtsmissbräuchlicher Fortführung eines Rechtsstreites durch den Rentenversicherungsträger.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2012 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

3. Der Beklagten werden Verschuldenskosten in Höhe von 300,00 Euro auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der am ...1967 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Metallwerker abgeschlossen und war zunächst in diesem Beruf sowie ab 1997 mit Unterbrechungen in verschiedenen Unternehmen als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall am 04.02.2000 (Sturz aus 2,5 Metern Höhe) mit instabiler LWK1-Fraktur und anschließender Arbeitsunfähigkeit begann er eine Umschulung zum Zahntechniker, bestand jedoch nach erfolgreiche Zwischenprüfung die Abschlussprüfung im Jahr 2006 nicht. Seitdem ist der Kläger arbeitslos. Seit dem 15.03.2007 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 im Sinne des Schwerbehindertenrechts aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten, operierter Bandscheibenschaden, seelische Störung und kognitive Beeinträchtigung, erworbene Immunschwäche und Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes anerkannt. Zwei Anträge des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung blieben ohne Erfolg.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragte der Kläger am 14.03.2012 bei der Agentur für Arbeit ..., welche den Antrag am 15.03.2012 an die Beklagte weiterleitete.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. ... vom 26.03.2012) mit Bescheid vom 28.03.2012 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin ausüben. Seine Erwerbsfähigkeit sei daher nicht erheblich gefährdet oder gemindert.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 24.04.2012 und erklärte, ein Einsatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei ihm aus medizinischen Gründen nicht möglich. Er leide unter erheblichen Wirbelsäulenproblemen. Die Haupttätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien in der Regel mit schwerer körperlicher Arbeit und Zwangshaltungen verbunden, so dass er ohne Umschulungsmaßnahmen nicht mehr integriert werden könne. Er legte hierzu eine Stellungnahme seines Hausarztes Dr. ... vom 22.05.2012 vor, der zufolge die frühere Tätigkeit des Klägers als Lagerist wegen der ausgeprägten Wirbelsäulenproblematik nicht mehr leidensgerecht sei.

Nach erneuter Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme Dr. ... vom 14.06.2012) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2012 zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Am 31.08.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er trägt vor, mit den bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, einer HIV-Infektion, einem Zustand nach instabiler LWK1-Fraktur mit Verblockung und rezidivierenden Lumboischialgien, einem Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Operation im Jahr 2006, einer komplexen Kniegelenksbinnenschädigung, rezidivierenden depressiven Phasen und Bluthochdruck, sei seine Erwerbsfähigkeit gefährdet.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussagen des Hausarztes Dr. ... vom 12.11.2012 sowie von PD Dr. ... und Frau ... von der Immunologischen Ambulanz der Universitäts-Hautklinik Heidelberg vom 12.11.2012 wird Bezug genommen

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2012 zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des G...

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