Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung zwischen den Sozialhilfeträgern. örtliche Zuständigkeit. gewöhnlicher Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in ein Krankenhaus. keine Änderung bei nur kurzer Aufenthaltsdauer an anderem Ort bis zur Unterbringung in einer Einrichtung für Obdachlose
Leitsatz (amtlich)
Ein zeitlich unbedeutender Aufenthalt von Stunden oder wenigen Tagen reicht für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts iS von § 30 Abs 3 S 2 SGB 1 regelmäßig nicht aus.
Orientierungssatz
Mangels einer eigenständigen sozialhilferechtlichen Definition des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts ist ergänzend auf § 30 Abs 3 SGB 1 zurückzugreifen (hier Klärung der örtlichen Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers und Kostenerstattungsanspruch).
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die von ihr für den Zeitraum vom 6. Dezember 2005 bis zum 31. März 2006 erbrachten Leistungen der Sozialhilfe für Herrn V. (Leistungsberechtigter) in Höhe von 4.206,95 € zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenpflichtigen Verfahrens. Der Beigeladene behält seine Kosten auf sich.
Der Streitwert für das Verfahren wird auf 4.206,95 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Aufwendungen der Sozialhilfe in der Form der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.
Der am 1956 geborene leistungsberechtigte V. - künftig: Leistungsberechtig-ter -, ein deutscher Staatsangehöriger, der obdachlos war reiste circa 2003 aus Frankreich wieder ins Bundesgebiet ein. Hier hielt er sich zunächst vornehmlich im Raum Ludwigsburg auf. Unter dem 14. März 2005 bescheinigte der Allgemeinmediziner W., dem Kläger, an chronischer Hepatitis C erkrankt zu sein. Des Weiteren bestehe beim Kläger eine HIV Infektion. Mit Bescheid vom 29. Juni 2005 bewilligte der Beigeladene dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 30. Juni 2006 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Gleichzeitig hieß es im Leistungsbescheid, die Wohnungslosenhilfe Ludwigsburg erhalte eine Mehrfertigung dieses Bescheides. Bereits zuvor hatte der Leistungsberechtigte mit der Wohnungslosenhilfe im Landkreis Ludwigsburg einen Vertrag über das Wohnen mit begleitender Betreuung geschlossen (Vertrag vom 9. März 2005). Mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 stellte der Beigeladene die dem Kläger geleistete Sozialhilfe mit Wirkung vom 31. August 2005 mit der Begründung ein, er sei am 31. August 2005 aus seiner Wohnung ausgezogen und halte sich nicht mehr im Geltungsbereich des Landkreises auf.
Ende August 2005 hatte sich der Leistungsberechtigte nach Bensheim begeben. Dort lebte er von Ende August 2005 bis zum 5. Dezember 2005 - mit kurzen Unterbrechungen - in einer Obdachlosenunterkunft. Während dieser Zeit wurde der Kläger zwischen dem 18. Oktober und dem 27. Oktober 2005 in einem Krankenhaus in Bensheim stationär behandelt.
Am 5. Dezember 2005 verließ der Leistungsberechtigte Bensheim in Richtung Ludwigsburg. Hierher fuhr er, den beim Beigeladenen dokumentierten Unterlagen zufolge nach Ludwigsburg, weil er sich von der hiesigen Wohnungslosenhilfe Hilfe bei der Erlangung einer Übernachtungsmöglichkeit erwartet habe. Dabei sei der Leistungsberechtigte sich ausdrücklich bewusst gewesen, dass eine Unterbringung auch außerhalb Ludwigsburgs und außerhalb des Landkreises erfolgen könne. Die Wohnungslosenhilfe des Landkreises Ludwigsburg - Beigeladener - vermittelte den Kläger sodann an die Einrichtung W. in Pforzheim - Klägerin -. Dort traf der Leistungsberechtigte am 6. Dezember 2005 ein. In der Einrichtung wurde er sodann ab dem 6. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 untergebracht.
Am 24. April 2006 meldete die Klägerin beim Beklagten für die von dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen der Sozialhilfe im Zeitraum vom 6. Dezember 2005 bis zum 31. März 2006 Kostenerstattung an. Mit weiteren Schreiben vom 28. Juni und 20. September 2006 sowie vom 12. Januar 2007 erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Antragsbearbeitung.
Unter dem 19. Juni 2008 lehnte der Beklagte den Erstattungsantrag der Klägerin mit der Begründung ab, er sei örtlich nicht zuständiger Träger der Sozialhilfe für das Erstattungsbegehren. Zuständiger Sozialhilfeträger sei der Beigeladene. Dort habe sich der Kläger zuletzt ergebnisoffen aufgehalten, bevor der seinen gewöhnlichen Aufenthalts in der Einrichtung bei der Beklagten begründet habe. Als der Leistungsberechtigte nämlich am 5. Dezember 2005 nach Ludwigsburg gekommen sei, habe nicht festgestanden, dass er diesen Ort bereits am nächsten Tag wieder verlassen werden würde.
Unter dem 2. Dezember 2008 wandte sich die Klägerin erneut an den Beklagten. Sie vertrat weiterhin die Meinung, der Leistungsberechtigte habe vor der Aufnahme im W.-Haus seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bensheim und damit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehabt. Deshalb sei der Beklagte örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Nachde...