Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Fahrkosten zur psychotherapeutischen Behandlung

 

Orientierungssatz

1. Fahrkosten zur psychotherapeutischen bzw psychiatrischen Behandlung sind vorrangig dem Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen (§ 60 SGB 5). Die Nachrangigkeit von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende steht einer Finanzierung solcher Krankheitskosten durch Leistungen nach dem SGB 2 entgegen.

2. Diese Sachlage erfordert, dass der Krankenversicherte die begehrten gesundheitsspezifischen Leistungen zunächst bei der Krankenkasse geltend macht und ggf mit Rechtsbehelfen durchsetzt, soweit diese nicht offensichtlich aussichtslos sind. Hat der Krankenversicherte durch Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens gegen den ablehnenden Bescheid der Krankenkasse nicht alle zumutbaren Mittel ausgeschöpft, so kann nicht von einer Unabweisbarkeit des Bedarfs im Sinne des § 21 Abs 6 SGB 2 ausgegangen werden.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -SGB II- im Zeitraum 01. Oktober 2015 bis 31. März 2016 unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Mehrbedarfsleistungen in Form von Kosten für Fahrten zu einer ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung.

Die 1979 geborene Klägerin wohnt in C. Sie leidet nach Angaben der behandelnden Psychotherapeutin K. an einer bipolaren Störung sowie einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Ärztlicher Attest vom 01. April 2017). Sie bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte ihr durch Bescheid vom 18. Januar 2016 für den Zeitraum 01. Oktober 2015 bis 31. März 2016 vorläufige SGB II- Leistungen (342,83 € Regelbedarf für Oktober und Dezember 2015; 347,83 € für Januar und Februar 2016 und i. H. v. 404,00 € für März 2016). Durch Änderungsbescheid vom 09. Februar 2016 bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen für Oktober bis Dezember 2015 i. H. v. 502,83 € (342,83 € Regelbedarf + 160,00 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung) sowie für Januar bis Februar 2016 i. H. v. 507,83 € (347,83 € Regelbedarf + 160,00 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und für März 2016 i. H. v. 564,00 € (404,00 € Regelbedarf + 160,00 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung).

Die Klägerin beantragte am 25. Januar 2016 bei dem Beklagten die Übernahme von Fahrtkosten zu ihrer Psychiaterin mit der Begründung, die Kosten seien bisher nicht von der Krankenkasse übernommen worden. Sie legte der Beklagten eine Bescheinigung der behandelnden Psychotherapeutin K. vom 26. Januar 2016 vor, in der diese die Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung ab dem 28. Oktober 2015 bestätigt und ausführt, die Klägerin habe bislang 8 Termine bei ihr wahrgenommen. Zudem fügte sie Nachweise der D. B. über Einzelfahrverbindungen mit der Bahn und dem Bus vor.

Gegen die Bescheide vom 18. Januar 2016 und 09. Februar 2016 erhob die Klägerin Widerspruch und trug zur Begründung u.a. vor, es werde ein Mehrbedarf für die medizinische Versorgung nach § 21 Abs. 6 SGB II geltend gemacht. Dies betreffe die Fahrtkosten nach S. zu ihrer behandelnden Psychiaterin Dr. A.-F. und zu ihrer Therapeutin K. Die Psychotherapie und die psychiatrische Behandlung benötige sie, um nach einem Klinikaufenthalt und einem Absturz im Jahr 2015 eine Besserung ihrer gesundheitlichen Situation zu erreichen. Erst in dieser jetzigen Therapie sei bei ihr die manische Depression diagnostiziert worden. Ein Wechsel zu einem örtlich näheren Therapeuten sei ihr nicht zuzumuten. Es werde um Übernahme des Mehrbedarfs für die erforderlichen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Behandlungsterminen nach Stuttgart gebeten. Es werde zudem um endgültige Festsetzung der SGB II-Leistungen gebeten.

Den Antrag auf Übernahme des Mehrbedarfs lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 07. April 2016 ab. Ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts liege nach dem geschilderten Sachverhalt nicht vor.

Gegen die Ablehnung der Übernahme der Fahrtkosten als Mehrbedarf erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch und trug ergänzend vor, dass es sich bei den Mehrbedarfen um Bestandteile der Leistungen nach dem SGB II handele und es kein eigenständiger und von deren Höhe abtrennbarer Bestandteil sei. Die Fahrtkosten seien auch so hoch, dass eine Nichtbewilligung faktisch eine Kürzung der Regelleistung bedeuten würde. Ihrem Widerspruch fügte sie eine ärztliche Bescheinigung der Psychotherapeutin K. vom 19. April 2016 sowie weitere Belege über Einzelfahrverbindungen mit der D. B. vor.

Durch Bescheid vom 29. April 2016 setzte der Beklagte die SGB II-Leistungen endgültig fest und bewilligte der Klägerin für Oktober bis Dezember 2015 Leistungen i. H. v. 502,83 € (342,83 € Reg...

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