Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengelds. Erweiterung des Bemessungsrahmens wegen unbilliger Härte. Gehaltsverzicht ("Sanierungsbeitrag") zur Beschäftigungssicherung. Gehaltsunterschied
Leitsatz (amtlich)
Arbeitsentgelt, auf das wirksam und endgültig verzichtet wurde, kann der Berechnung des Arbeitslosengelds nicht zugrunde gelegt werden. Eine zur Erweiterung des Bemessungsrahmens führende unbillige Härte liegt auch im Fall einer trotz Gehaltsverzicht erfolglosen Sanierung nicht vor, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das Regelbemessungsentgelt nur um 3,37 Prozent überschreitet.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Die am ... geborene Klägerin war vom 01.10.2001 bis zum 31.05.2009 bei der Firma ... versicherungspflichtig beschäftigt. Im Hinblick auf die drohende Insolvenz des Unternehmens erhielt die Klägerin gemäß Vereinbarung zwischen der Geschäftsführung ihres ehemaligen Arbeitgebers, der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) sowie dem Betriebsrat in den Monaten Mai und Juni 2008 einen um 5,5 Prozent sowie von Juli 2008 bis März 2009 ein um 3,75 Prozent vermindertes Bruttogehalt (“Sanierungsbeitrag„). Gemäß Beschluss des Amtsgerichts ... wurde am ... das Insolvenzverfahren über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin eröffnet. Gemäß Schreiben des Insolvenzverwalters vom 02.03.2009 wurde die Klägerin mit Wirkung ab dem 03.03.2009 zur Arbeitsvermittlung freigestellt. Mit Schreiben vom 27.03.2009 wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.05.2009 gekündigt.
Vom 12.03.2009 bis zum 13.03.2009 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und erhielt gemäß Bescheinigung der ... vom 17.03.2009 Krankengeld.
Die Klägerin meldete sich am 04.03.2009 arbeitsuchend sowie am 16.03.2009 (Montag) arbeitslos.
Mit Bescheid vom 17.04.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 14.03.2009 Arbeitslosengeld für die Dauer von 720 Kalendertagen in Höhe eines Leistungsbetrags von täglich 24,11 Euro (monatlich 723,30 Euro). Der Berechnung des Arbeitslosengelds legte sie das in der Zeit vom 01.03.2008 bis zum 28.02.2009 von der Klägerin erzielte Arbeitsentgelt zugrunde. Mit Änderungsbescheid vom 30.05.2009 änderte die Beklagte den täglichen Leistungsbetrag aufgrund steuerrechtlicher Änderungen auf 24,26 Euro ab.
Mit ihrem am 29.04.2009 erhobenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Berechnung ihres Arbeitslosengelds, insbesondere die Berücksichtigung des aufgrund des Sanierungsbeitrags verminderten Bruttogehalts.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der maßgebliche Bemessungszeitraum sei korrekt ermittelt worden und umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.03.2008 bis zum 28.02.2009. Die Voraussetzungen für die Erweiterung des Bemessungszeitraums auf zwei Jahre wegen einer unbilligen Härte lägen nicht vor. Eine unbillige Härte sei nur dann gegeben, wenn das Bemessungsentgelt aus dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen das um zehn Prozent erhöhte Bemessungsentgelt aus dem einjährigen Bemessungsrahmen überstiege.
Mit ihrer am 25.05.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, der Gehaltsverzicht sei ohne ihre Zustimmung durch den Betriebsrat mit der Unternehmensleistung vereinbart worden. Sie finde es ungerecht, dass sie durch ein geringeres Arbeitslosengeld nun doppelt für den vom Betriebsrat geschlossen Sanierungsbeitrag bestraft werde.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2009 und des Änderungsbescheids vom 30.05.2009 zu verurteilen, ihr höheres Arbeitslosengeld ohne Berücksichtigung des in den Monaten Mai 2008 bis März 2009 geleisteten Sanierungsbeitrags zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht keine gesetzliche Grundlage dafür, bei der Bemessung des Arbeitslosengelds den Gehaltsverzicht außer Betracht zu lassen. Auch eine unbillige Härte, die gemäß § 130 Abs. 3 Nr. 2 SGB III eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre erlaube, liege nicht vor, da ein danach berechnetes Bemessungsentgelt das Bemessungsentgelt aus dem einjährigen Regelbemessungsrahmen nicht um wenigstens zehn Prozent übersteige.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch schriftliche Zeugenvernehmung des Insolvenzverwalters des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin ... und der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden .... Auf den Inhalt der schriftlichen Zeugenaussagen vom 23.12.2009, vom 19.01.2010 und vom 13.04.2010 wird Bezug genommen.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Kla...