Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Anspruchsdauer. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Beratungspflicht. Bestimmung eines späteren Zeitpunktes für die Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Ein einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösendes Unterlassen einer gebotenen Beratung liegt auch vor, wenn die Agentur für Arbeit einen Arbeitslosen, der in sechs Monaten die nächste Altersstufe erreicht und arbeitsgerichtlich gegen die Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses vorgeht, nicht auf die Konsequenzen einer Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld und die gesetzliche Möglichkeit, die Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs zu verschieben, hinweist.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Bescheide der Beklagten vom 09.12.2008 in der Fassung des Bescheids vom 03.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 09.04.2009 insoweit rechtswidrig waren, als Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten und nicht für die Dauer von 24 Monaten ab 01.02.2009 bewilligt wurde.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Dauer des dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Der am … 1951 geborene Kläger war ab 15.03.2001 als Projektmanager bei der ... beschäftigt. Mit Schreiben vom 29.07.2008 kündigte die ... das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich mit Wirkung zum 30.09.2008. Das Kündigungsschreiben enthielt den Hinweis auf die Verpflichtung des Klägers zur persönlichen Arbeitsuchendmeldung bei der Beklagten innerhalb von drei Tagen.
Daraufhin meldete sich der Kläger am 31.07.2008 bei der Beklagten arbeitssuchend und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld. In den Antragsformularen gab er unter Erläuterung seiner Beweggründe an, gegen die Kündigung arbeitsgerichtlich vorgehen zu wollen. Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Stuttgart wurde am 06.08.2008 erhoben (Aktenzeichen 24 Ca 5865/08).
Mit Bescheid vom 22.08.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 31.07.2008 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 60,14 Euro für die Dauer von 540 Tagen. Die Bewilligung erfolgte in Bezug auf Höhe, Beginn und Dauer vorläufig. Zur Begründung hieß es, die gerichtliche/außergerichtliche Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Verfahren müsse noch abgewartet werden. Mit Schreiben vom 22.08.2008 wies die Beklagte den Kläger außerdem darauf hin, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Zuerkennung von Ansprüchen aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis ruhen könne und solche Ansprüche ggf. in Höhe der während eines eventuellen Ruhenszeitraums gezahlten Leistungen kraft Gesetzes sie übergingen.
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wurde dem Kläger von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine gütliche Einigung dergestalt vorgeschlagen, dass die außerordentliche Kündigung zurückgenommen und das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zum 31.01.2009 beendet wird. Diesem Vergleichsvorschlag stimmte der Kläger zu. Gemäß gerichtlichem Vergleich vom 02.12.2008 wurde das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen zum 31.01.2009 beendet und der Kläger wurde bis zum Beendigungszeitpunkt unter Zahlung der vollen Bezüge von der Arbeit freigestellt.
Am 09.12.2008 beantragte der Kläger daraufhin telefonisch bei der Beklagten, den Bescheid vom 22.08.2008 zu ändern und eine längere Anspruchsdauer festzusetzen, da er am 02.01.2009 das 58. Lebensjahr vollendet habe.
Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.12.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei am 31.07.2008 entstanden. Die Zahlung von Arbeitsentgelt aufgrund des Vergleichs führe nur zum Ruhen dieses Anspruchs während der hierdurch abgegoltenen Zeiten. Ebenfalls am 09.12.2008 erließ die Beklagte zudem drei Änderungsbescheide, in dem Arbeitslosengeld für die Dauer von 540 Tagen ab 31.07.2008 in Höhe von 60,14 Euro für die Zeit vom 31.07. bis zum 30.11.2008, in Höhe von 0,00 Euro für die Zeit vom 01.12.2008 bis 31.01.2009 und in Höhe von 60,14 Euro ab 01.02.2009 bewilligt wurde. Die restliche Bezugsdauer wurde mit 419 Tagen ab dem 01.12.2008 ausgewiesen. Mit einem weiteren Bescheid vom 09.12.2008 machte die Beklagte den gesetzlichen Anspruchsübergang geltend und forderte vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers Einbehaltung und Zahlung von insgesamt 7.276,94 Euro für das bis zum 30.11.2008 geleistete Arbeitslosengeld aus der nachzuzahlenden Arbeitsvergütung.
Mit Schreiben vom 15.12.2008 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 09.12.2008 Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Festsetzung einer längeren Anspruchsdauer von 24 Monaten ab 01.02.2009. Die Meldung bei der Beklagten am 31.07.2008 sei nur zur Fristwahrung erfolgt. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei er darauf hingewiesen worden, dass bei Abschluss des Vergleichs aufgrund des vereinbarten Beendigungstermins ein Anspruch auf einen verlängerten Bez...