Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. betriebliche Tätigkeit. Nachweis. gemischte Motivationslage. Feststellungslast. Gang zur Toilette oder Gang zur Raucherpause. Indizien. Plausibilität
Leitsatz (amtlich)
Ist nach dem Verlassen eines Arbeitsplatzes durch einen Versicherten und anschließendem Unfall streitig, ob ein Gang zur Raucherpause oder ein Gang zur Toilette beabsichtigt war, liegt die Feststellungslast für das Vorliegen eines (versicherten) Gangs zur Toilette bei dem Arbeitnehmer. Können Indizien nicht entkräftet werden, dass zunächst eine Raucherpause beabsichtigt war, ist ein Arbeitsunfall nicht nachgewiesen. Insoweit ist es unerheblich für das Ergebnis, wenn der zurückzulegende Weg zur Toilette und Raucherraum identisch ist und es naheliegt, dass nach der Raucherpause noch eine reguläre Pausenzeit verbracht oder eine Toilettenpause eingelegt werden sollte.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles im Streit.
Die am … geborene Klägerin erlitt während ihrer Arbeitsschicht als Monteurin am … einen Unfall, als ihr ein Kollege mit dem Gabelstapler über den Fuß fuhr. Zu dem Unfall kam es, als die Klägerin am Unfalltag um 17:45 Uhr und damit 15 Minuten vor ihrer nächsten regulären Pause ihren Arbeitsplatz verließ und hierbei plötzlich den Fuß- und Fahrweg zwischen ihrem Arbeitsplatz und dem Schichtführerbüro betrat. Die Klägerin wurde sogleich beim Betreten der Fahrbahn von dem Gabelstapler ihres Kollegen K erfasst, welcher nicht genug Zeit hatte, sein Fahrzeug abzubremsen. Die Klägerin hatte nicht darauf geachtet, ob ein Fahrzeug auf dem Weg unterwegs war. Allerdings hatte sich der Gabelstapler gerade in einer Art totem Winkel befunden, da eine Stellwand mit betrieblichen Nachrichten zwischen den Arbeitsplatz der Klägerin von dem Fahrweg abgrenzte; so sah die Klägerin den Gabelstapler nicht, als dieser hinter ihrem Arbeitsplatz vorbeifuhr, und der Gabelstaplerfahrer sah nicht, dass die Klägerin sich anschickte, die Fahrbahn zu betreten. Diese Informationstafel ist inzwischen entfernt und an einer anderen Stelle angebracht worden.
Im Durchgangsarztbericht des Dr. V vom … wurde als Erstdiagnose eine Quetschung des rechten Fußes angegeben.
Nach der Unfallsofortmeldung des Arbeitgebers, der Firma ... in …, habe die Klägerin sich auf dem Weg nach draußen (Ausgang am Schichtführerbüro) begeben, um eine Zigarette zu rauchen. Die Klägerin habe mehrmals wiederholt, dass den Kollegen K keine Schuld an dem Unfall treffe, da sie den Fahrweg ohne Umsicht betreten habe. Die Klägerin sei stets ansprechbar gewesen und sei aufgrund der Schwellung mit Verdacht auf Knochenbruch vom Rettungsdienst nach … gefahren worden. Diese Unfallsofortmeldung beruhte auf den Angaben des Kollegen K, welcher den Unfall zuerst zur Kenntnis genommen hatte, und wurde von dem Vorgesetzten Herrn D ausgefüllt.
Die Beklagte forderte die behandelnden Ärzte umgehend auf, die Behandlung zu ihren Lasten abzubrechen, da ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Mit Bescheid vom 15.04.2014 teilte die Beklagte dies auch der Klägerin mit, wobei sie ausführte, dass der Weg zur Zigarettenpause keine betrieblich versicherte Tätigkeit darstelle.
Mit Schreiben vom 23.04.2014 legte die Klägerin Widerspruch ein. Entgegen den Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid habe sich der Unfall während eines Ganges zur Toilette ereignet. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei keine Pausenzeit gewesen, da die Pause erst um 18.00 Uhr beginne. Da sie gewusst habe, dass die Pause bevorstand, habe sie ihre Zigaretten bereits zur Toilette mitgenommen. Die Annahme der Beklagten scheine naheliegend, treffe jedoch nicht zu.
Die Beklagte verwies auf die Unfallsofortmeldung des Arbeitgebers und bat die Klägerin um Vorlage einer Skizze des Arbeitsplatzes durch die Firma (vgl. Bl. 5 der Gerichtsakte).
Der inzwischen eingeschaltete Bevollmächtigte der Klägerin übersandte mit Schreiben vom 08.08.2014 einen Hallenplan des Arbeitgebers, wonach die Klägerin an der Linie 2 in der Endkontrolle arbeitete und hinter dem Durchgang bei der Endkontrolle eine Schattenwand angebracht war. Der Klägerbevollmächtigte trug hierzu nunmehr weiter vor, dass die Klägerin sich, bevor sie den ersten Schritt außerhalb des gekennzeichneten Bereiches gesetzt habe, ordnungsgemäß darüber vergewissert habe, ob ein Stapler unterwegs gewesen sei.
Der stellvertretende Abteilungsleiter Sicherheitsmanagement des Arbeitgebers Z teilte am 12.09.2014 mit, dass die Angaben, die der Vorgesetzte D in der Unfallsofortmeldung gemacht habe, auf den Aussagen beider Unfallbeteiligter beruhten, und Herrn D so berichtet worden seien.
Mit Schreiben vom 14.10.2014 trug der Bevollmächtigte der Klägerin vor, dass nach eigener Rücksprache mit dem Zeugen K dieser lediglich vermutet habe, dass die Klägerin auf dem Weg zu einer Zigarettenpause gewesen sei. Hie...