Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht bzw bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. anderes Aufenthaltsrecht. Unionsbürgerfreizügigkeit. Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs 1 S 11 FreizügG/EU 2004 aF bzw § 11 Abs 14 S 1 FreizügG/EU 2004 nF iVm § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG 2004 und Art 18 AEUV

 

Orientierungssatz

§ 11 Abs 14 S 1 FreizügG/EU 2004 nF (§ 11 Abs 1 S 11 FreizügG/EU 2004 aF) iVm § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG 2004 und Art 18 AEUV kann dem sorgeberechtigten Elternteil eines wegen der Begleitung des anderen Elternteils nach § 3 Abs 1 S 1 FreizügG/EU 2004 freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht vermitteln.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 10.03.2021 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, längstens bis zum 09.09.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner hat 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Antragstellerin und ihr nichtehelicher Lebensgefährte C. C. sind bulgarische Staatsangehörige. Sie sind zuletzt im Dezember 2018 erneut nach Deutschland eingereist. Sie haben zwei Kinder D. C., geboren 2018, und E. C., geboren 2020.

Die Antragstellerin hat keine Arbeit. Sie betreut, versorgt und pflegt die Kinder.

Ihr Lebensgefährte bezieht Einkommen aus Erwerbstätigkeit, bis November 2020 zunächst aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bei F. GmbH und sodann aus selbstständiger Erwerbstätigkeit als Schrottsammler. Sein monatlicher Gewinn liegt aktuell zwischen 480,00 € und 490,00 €.

Die Bedarfsgemeinschaft bezog daneben von dem Antragsgegner laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 06.08.2020 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft zuletzt vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2020 bis 28.02.2021.

Am 16.01.2021 beantragte die Bedarfsgemeinschaft bei dem Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 26.01.2021 bewilligte der Antragsgegner dem Lebensgefährten und den Kindern erneut vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.03.2021 bis 31.08.2021. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin sei von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II.

Am 16.02.2021 wurde Widerspruch eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte eine eheähnliche Lebensgemeinschaft führen und zwei Kinder haben. Die Antragstellerin gehöre nicht zu dem Personenkreis, der von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sei gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II. Dem berufstätigen Vater sei es nicht zumutbar, seine zwei Jahre und elf Monate alten Kinder zu betreuen. Andere Betreuungspersonen stehen nicht zur Verfügung. Die Antragstellerin sei auf die existenzsichernden Leistungen angewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2021 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Für die Antragstellerin habe bis zur Geburt und im ersten Lebensjahr des zweiten Kindes ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen bestanden. Dieses sei weggefallen. Die Antragstellerin habe kein Aufenthaltsrecht beziehungsweise nur ein solches allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Insbesondere seien die Kinder noch nicht schulpflichtig.

Am 10.03.2021 hat die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und Klage eingelegt.

Die Antragstellerin meint, sie habe ein Aufenthaltsrecht gemäß § 11 Abs. 1 S. 11 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dem berufstätigen Vater sei es nicht möglich, seine zweieinhalb Jahre und ein Jahr alten Kinder zu betreuen. Er sei viel kurzfristig unterwegs. Zusätzlich wolle er eine Arbeit als Reinigungskraft aufnehmen. Sie müssen dauerhaft beaufsichtigt werden. Zu Familienangehörigenbestehe kein Kontakt. Mit der Mutter und den Schwestern habe man sich überworfen. Erstere sei zudem erwerbstätige Leistungsbezieherin. Das ältere Kind besuche den Kindergarten, für das jüngere Kind suche man einen Platz. Im Alltag und bei Behördenangelegenheiten unterstütze eine sozialpädagogische Familienhilfe. Die Antragstellerin benötige die Leistungen zur Sicherung der Existenz und zur Betreuung, Versorgung und Pflege der Kinder. Abzuwägen sei, ob das Interesse der Allgemeinheit an der Versagung möglicherweise nicht zustehender Leistungen höher wiege als Interesse der Antragstellerin an der Bewilligung der Leistungen. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?