Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattung bei Frauenhausaufenthalt. psychosoziale Betreuung im Frauenhaus als kommunale Eingliederungsleistung. Höhe des Erstattungsanspruchs in Hessen
Leitsatz (amtlich)
1. Psychosoziale Betreuungsleistungen während des Aufenthaltes in einem Frauenhaus können Leistungen zur Eingliederung des SGB 2 sein.
2. Die Höhe der Erstattungspflicht des kommunalen Trägers der Herkunftskommune bestimmt sich in Hessen im Regelfall anhand der Kostenkalkulationen der Frauenhäuser, die Grundlage der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen sind.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 39.799,54 € zu zahlen.
Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 39.799,54 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von 39.799,54 €.
Die 1975 geborene B. die afghanische Staatsangehörige tadschikischer Volkszugehörigkeit ist, reiste mit ihrem damaligen Mann, dem 1961 geborenen T. und den Kindern N. und E. am 26. September 1999 nach Deutschland ein. Nachdem Asylanträge abgelehnt wurden, stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ein Abschiebehindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG für Afghanistan fest. Der Aufenthalt der Familie war auf den Vogelsbergkreis beschränkt. Dementsprechend wurden fortlaufend Duldungen erteilt. Die Familie stand bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Am 4. Dezember 2008 nahm Frau B. mit ihren fünf Kindern, T., geboren 1996, E., geboren 1999, S., geboren 2001, C., geboren 2003 und D., geboren 2005 Obhut im Frauenhaus im Landkreis Kassel, da im Vogelsbergkreis seit der “Operation Sichere Zukunft„ der hessischen Landesregierung im Jahr 2003 kein Frauenhaus mehr betrieben wurde. Eine entsprechende Mitteilung erging unter dem 11. Dezember 2008 von der Arbeitsförderung des Landkreises Kassel an den Vogelsbergkreis. Insoweit erließ der Vogelsbergkreis am 17. Dezember 2008 einen Änderungsbescheid.
Am 9. Januar 2009 teilte der Vogelsbergkreis Frau B. mit, dass der Aufenthalt von ihr und den Kindern im Frauenhaus des Landkreises Kassel gestattet sei. Die Familie B. stand bis zu diesem Zeitpunkt im Bezug von Grundsicherungsleistungen durch den Vogelsbergkreis (zuletzt durch Bescheid vom 25. November 2008).
Auf ihren Antrag hin wurden Frau B. und ihren Kindern vom Jobcenter des Landkreises Kassel Dezember 2008 fortlaufend Grundsicherungsleistungen bewilligt, wobei die Kosten der Unterkunft direkt an das Frauenhaus abgeführt wurden.
Nach längerer streitiger Kommunikation zwischen Vogelsbergkreis, der Stadt Kassel und dem Landkreis Kassel stimmte die Stadt Kassel am 7. Juli 2009 einer Änderung der Wohnsitzauflage und einem Zuzug in den Landkreis Kassel zu.
Frau B. und ihre fünf Kinder hielten sich insgesamt im Zeitraum vom 4. Dezember 2008 bis 1. Oktober 2009 im Frauenhaus des Landkreises Kassel auf.
Mit Schreiben vom 20. November 2009 stellte der Landkreis Kassel dem Vogelsbergkreis 60.208,86 € in Rechnung. Am 16. Dezember 2009 forderte der Vogelsbergkreis die Vergütungsvereinbarung mit dem Träger des Frauenhauses vom Landkreis Kassel an, die ihm am 22. Dezember 2009 zur Verfügung gestellt wurde. Bereits unter dem 10. Dezember 2009 erging eine Erstattungsforderung der Jobcenters des Landkreises Kassel an den Beklagten bezüglich der Mietkosten, der der Beklagte nachkam.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 lehnte der Beklagte eine Erstattung der Betreuungskosten mit der Begründung ab, erstattungsfähig seien die kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a Nr. 1 bis 4 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II). Man bitte den Landkreis um Mitteilung, welche Maßnahmen zur Eingliederung veranlasst worden seien, welches Integrationsziel angestrebt wurde, ob eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen wurde und welche Maßnahmen zur Kinderbetreuung veranlasst worden seien.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2010 erklärte sich der Beklagte bereit 20.409,32 € zu erstatten. Die geltend gemachten Kosten in Höhe von 60.208,86 € müssten als überhöht angesehen werden. Sie entsprächen bei Gesamtkosten des Frauenhauses von 1200,00 € bezogen auf 10 Monate einer Aufwandserstattung, von mehr als 50 % der Gesamtkosten. Ein Tagessatz von 203,00 € werde nicht als angemessener Betreuungsaufwand angesehen. Mit Schreiben vom 24. August 2010 forderte der Kläger die Erstattung des gesamten Betrages in Höhe von 60.208,86 €. Zur weiteren Begründung nahm der Kläger Bezug auf ein Schreiben des Hessischen Landkreistages vom 3. Juli 2007 an die Sozialamtsleiter der hessischen Landkreise in dem u.a. ausgeführt wurde, dass die örtlichen Vereinbarungen mit Frauenhäusern gegenseitig anerkannt würden. Insoweit stoße die Verhaltensweise des Vogelsbergkreises einerseits kein Frauenhaus zur Verfügung zu stellen und andererseits zu versuchen, die Kosten der Unterbringung der eigenen Bürger durch andere Landkreise ...