Entscheidungsstichwort (Thema)

Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der Verordnung eines Arzneimittels

 

Orientierungssatz

1. Ein Kostenerstattungsanspruch besteht nach § 13 Abs. 3 SGB 5 nur dann, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen kann oder diese zu Unrecht abgelehnt hat. Zur Behandlung der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) ist sowohl das Arzneimittel Lucentis als auch das Arzneimittel Avastin zugelassen.

2. Lucentis ist wesentlich teurer als Avastin. Darüber hinaus ist Avastin seit 2006 mehrere 100.000 mal weltweit erfolgreich eingesetzt worden. Begründete Zweifel an der Arzneimittelsicherheit von Avastin bei der Therapie der feuchten AMD bestehen nicht. In dieser Situation gebietet es das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB 5, den Versicherten mit dem Arzneimittel Avastin zu behandeln. Die Behandlung mit einem Arzneimittel eines besonders teuren Anbieters ist nicht geschuldet.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin einstweilen die Kosten eines Behandlungsintervalls (drei Injektionen) mit dem Fertigarzneimittel Lucentis durch die St. Elisabeth-Krankenhaus-GmbH finanzieren muss.

Dieses Krankenhaus, welches grundsätzlich für gesetzlich krankenversicherte Patienten zugelassen ist, und die bei der Antragsgegnerin (AGG) versicherte, im Jahre 1939 geborene Antragstellerin (AST) beantragten Anfang Mai 2009 bei der AGG die Kostenübernahme einer Lucentis-Injektionstherapie. Aus dem Antrag ergibt sich, dass die AST bei angiographisch nachgewiesener Neovaskularisierung unter einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) am rechten Auge leidet und die Therapie mit Lucentis erforderlich ist. Da die Leistung nach dem EBM derzeit nicht abrechenbar sei, werde um die Zusage der Kostenübernahme der Lucentis-Therapie für zunächst drei Monate in Höhe von 5.028,66 Euro gebeten (Apothekenverkaufspreis von Lucentis: 1.296,22 Euro, für 3 Injektionen: 3.888,66 Euro/Ärztliches Honorar für die intravitreale Injektion: 300,- Euro, für 3 Injektionen: 900,00 Euro/Ärztliches Honorar für die Nachbehandlung: 80,- Euro, für 3 Injektionen: 240,- Euro). Mit Bescheid vom 11.05.2009 teilte die AGG der AST mit, die geplante Behandlung für drei Medikamenteneinspritzungen ins rechte Auge werde grundsätzlich genehmigt. Die AGG habe jedoch zwischenzeitlich einen Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) und den augenärztlichen Berufsverbänden geschlossen, der eine pauschalierte Kostenvergütung von 450,- Euro für alle mit den Medikamenteneinspritzungen einhergehenden Aufwendungen (Arztkosten und Arzneimittelkosten) je Injektion vorsehe. Welches Arzneimittel (Avastin, Lucentis oder Macugen) im Einzelfall zum Einsatz komme, kläre der Arzt gemeinsam mit seinem Patienten. Für die augenärztliche Nachbehandlung sei ein zusätzlicher Betrag von 50,- Euro abrechenbar. Die Kostenabrechnung erfolge in diesen Fällen direkt über die Krankenversichertenkarte mit der KVNO. Die Elisabeth-Krankenhaus GmbH habe sich derzeit dem oben genannten Vertrag nicht angeschlossen. Deshalb sei eine direkte Abrechnung über die Krankenversichertenkarte nicht möglich. Sofern die AST die Behandlung dennoch in dieser Einrichtung durchführen lassen wolle, seien die entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen. Über den hiergegen gerichteten Widerspruch der AST hat die AGG noch nicht entschieden.

Am 12.06.2009 hat die AST den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Köln eingereicht, um die AGG einstweilen zu verpflichten, die beantragte Behandlung im St. Elisabeth-Krankenhaus von der AGG finanziert zu erhalten. Die AST trägt vor, an ihrem rechten Auge bestehe noch eine 32prozentige Sehfähigkeit, am linken Auge eine 20prozentige Sehfähigkeit. Wenn die streitgegenständliche Behandlung nicht umgehend durchgeführt werde, drohe ihr wahrscheinlich sogar ein vollständiger Sehverlust am rechten Auge. Die Prognose werde umso schlechter, je länger die Behandlung hinausgezögert werde. Die ärztliche Dienstleistung (intravitreale Injektion) sei derzeit noch nicht im EBM geregelt. Es bestehe deshalb die Verpflichtung der AGG zur Vergütung der ärztlichen Leistung auf der Grundlage der GOÄ. Die Begrenzung der Leistung auf dreimal 500,- Euro statt der beantragten 5.028,66 Euro könne die AGG nicht unter Hinweis auf den abgeschlossenen Vertrag über die Behandlung der feuchten AMD mittels intravitrealer Injektion (im folgenden: AMD-Vertrag) stützen. Die AST habe ein Recht auf freie Arztwahl. Die Kostenkalkulation im AMD-Vertrag lasse nur den Schluss zu, dass eine Durchstechflasche Lucentis für die Behandlung mehrerer Patienten (entgegen der Fachinformation) oder Avastin im Off-Label-Use Verwendung finde. Der AMD-Vertrag sei evident rechtswidrig. Da die AST unter multiplen Allergien bei schwerer KHK- und Diabeteserkrankungen leide, wolle sie sich ...

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