Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Mehrbedarf für Hygiene und Medikamente
Orientierungssatz
1. Ein geltendgemachter Mehrbedarf für Hygiene oder Medikamente ist nach dem SGB 2 ausgeschlossen. Entsprechende Kosten sind aus dem Regelbedarf zu decken.
2. Auch das SGB 12 enthält keine Anspruchsgrundlage zu einem Mehrbedarf für Hygiene oder Medikamente. § 73 SGB 12 ist als Auffanggeneralklausel nicht heranzuziehen, weil Hygieneartikel und Medikamente aus dem Regelsatz zu decken bzw. gegenüber der Krankenkasse geltend zu machen sind.
3. Bei Zahlung von Pflegegeld ist dieses zur Deckung eines geltendgemachten Mehrbedarfs für Medikamente und Hygienemittel einzusetzen. Damit entfällt zugleich der für den einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Anordnungsgrund.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe
I. Der zulässige Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), mit dem die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen begehrt, an sie einen monatlichen Betrag von ... Euro wegen Mehrbedarfs für Arzneimittel einschließlich Verbandsstoffen und Hygieneartikeln, hilfsweise einen Betrag von monatlich ... Euro zu zahlen, äußerst hilfsweise, diese Beträge darlehensweise zur Verfügung zu stellen, ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller den Anordnungsanspruch, d.h. den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, und den Anordnungsgrund, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
1. Die Antragstellerin hat bereits ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, denn es fehlt an einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage gegen die Antragsgegnerin (dazu a) aa)) oder die Beigeladene (dazu a) bb)). Dies führt im konkreten Fall auch nicht zum einem verfassungswidrigen Ergebnis (dazu b)).
a) aa) (1) Das SGB II gewährt der Antragstellerin keinen Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf gegen die Antragsgegnerin.
(a) Ein Mehrbedarf für Hygiene oder Medikamente ist weder in § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II vorgesehen, noch ergibt sich ein Anspruch als Sonderbedarf aus § 23 Abs. 3 SGB II. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst vielmehr die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zu Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Dazu gehört auch der von der Antragstellerin geltend gemachte Bedarf. Eine abweichende Bestimmung des Bedarfs im Einzelfall ist anders als in § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im SGB II nicht vorgesehen. Die Anerkennung eines erhöhten Bedarfs widerspricht zudem ersichtlich dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der in § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II eine abweichende Festlegung der Bedarfe ausgeschlossen hat (vgl. zum Vorstehenden Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.12.2006, Az.: L 20 B 175/06 AS).
(b) Ein Anspruch auf darlehensweise Gewährung des geltend gemachten Mehrbedarf gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II scheidet ebenfalls aus. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Gewährung eines Darlehens gedeckt werden. Bei den hier geltend gemachten Kosten wegen der Anschaffung von Arzneimitteln einschließlich Verbandsstoffen und Hygieneartikeln handelt es sich jedoch um einen laufenden und wiederkehrenden Bedarf, der nur schwer einer darlehensweisen Gewährung zugänglich ist, weil das Darlehen durch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II angeordnete Aufrechnung zu einer belastenden Hypothek für die Zukunft wird. Von der Rückzahlung des Darlehns kann auch nicht im Wege einer etwaigen verfassungskonformen Auslegung abgesehen werden. Bei Dauerbedarfen, wie dem vorliegend geltend gemachten, müsste der Erlass der Darlehensschuld mit der Darlehensgewährung verbunden werden. Die Darlehensgewährung wurde damit ad absurdum geführt. Eine solche Lösung wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze (so nunmehr Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R m.w.N.; vgl. auch § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
(2) Ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin ergibt sich auch nicht aus dem zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin vor dem Verwaltungsg...