Tenor

Der Antragsgegner wird einstweilen verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit ab 22.03.2017 bis einschließlich August 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes monatlich in Höhe der gem. Bescheid vom 14.12.2016 für den Monat Februar 2017 zuerkannten Leistungen zu zahlen, wobei Leistungen für Unterkunft (285,- Euro) nicht zu erbringen sind.

Der Antragsgegner trägt ¾ der außergerichtlichen erstattungsfähigen Kosten der Antragsteller.

 

Gründe

Der Antrag der Antragsteller vom 22.03.2017 gerichtet auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Der Antrag ist auf Grundlage von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Bescheid des Antragsgegners vom 22.02.2017, mit dem dieser die Gewährung von Leistungen unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II abgelehnt hat, ist angesichts des Widerspruchs der Antragsteller vom 09.03.2017 noch nicht bestandskräftig.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis geboten, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiellrechtlichen Anspruchs auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Ist eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange des Antragstellers einzustellen sind (BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 und 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12).

Ausgehend von diesen Maßgaben war im Wege einer Folgenabwägung der Antragsgegner im tenorierten Umfang einstweilen zur Leistung zu verpflichten. Zweifel daran, dass die Antragsteller nicht hilfebedürftig i.S.v. § 9 SGB II sind, hat die Kammer nicht. Zwar ist nicht zu erkennen, dass die 1981 geborene Antragstellerin zu 1), die wie die Antragsteller zu 2) und 3) die bulgarische Staatsangehörigkeit hat, über ein eigenes Aufenthaltsrecht verfügt, weshalb sie dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) SGB II in der ab 29.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes unterfallen dürfte. Die Antragstellerin zu 1) hält sich seit dem 24.04.2013 in Deutschland auf und hat damit noch kein Daueraufenthaltsrecht i.S.v. § 4a Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU. Auch ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmerin ist nicht zu erkennen, da die Antragstellerin zuletzt (geringfügig) in der Zeit von November 2014 bis Februar 2015 erwerbstätig war und seitdem ihren Lebensunterhalt allein durch Mittel nach dem SGB II sicherstellt. Ein Aufenthaltsrecht gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU wirk längstens für 2 Jahre nach Beendigung der Tätigkeit fort. Auch ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) ist nicht erkennbar, da dieses nur für sechs Monate gilt und eine Verlängerung nur dann in Betracht kommt, wenn der Betroffene weiterhin Arbeit sucht und begründe Aussicht besteht, eingestellt zu werden. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Antragstellerin zu 1)  hat im Februar 2015 ihre geringfügige Beschäftigung verloren und es ist in keiner Weise erkennbar, dass sie sich danach überhaupt um Arbeit bemüht hat.

Es spricht nach Auffassung der Kammer aber mehr dagegen als dafür, dass die Antragstellerin aufgrund der Schulbesuche des Antragstellers zu 2), ihrem am 02.07.2003 geborenem Sohn (derzeit  Klasse 7 XXXXXXX-Realschule) und der Antragstellerin zu 3), ihrer am 11.09.2004 geborenen Tochter (derzeit Klasse 5 Hauptschule XXX), ein aus Art. 10 der Verordnung (EU) 492/2011 abgeleitetes Aufenthaltsrecht herleiten kann.

Soweit § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II in der ab 29.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes auch für Personen, die ein derartig abgeleitetes Aufenthaltsrecht innehaben, Leistungen nach dem SGB II ausschließt, hegt die Kammer erhebliche Zweifel, ob diese Vorschrift europarechtskonform ist, da das diesbezügliche (abgeleitete) Aufenthaltsrecht gerade nicht von ausreichenden Existenzmitteln abhängig gemacht werden soll. Insoweit schließt sich die Kammer den ausführlichen Darlegungen betreffend die Europarechtswidrigkeit des neugefassten § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c) SGB II des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 17.02.2...

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