Entscheidungsstichwort (Thema)

Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Richtlinien. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Hyperbare Sauerstofftherapie bezüglich "Arterieller Gasembolie und Dekompressionskrankheit"

 

Orientierungssatz

1. Auch wenn Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen die außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung stehenden Leistungserbringer nicht grundsätzlich in ihren Rechten betreffen, haben diese doch einen Anspruch darauf, daß ihre Leistungen zutreffend bewertet werden (vgl SG Köln vom 2.12.1998 - S 19 KA 29/98).

2. Es gilt als allgemein anerkannt, daß die Hyperbare Sauerstofftherapie im Falle der Arteriellen Gasembolie die Therapie der "einzigen" Wahl ist. Ähnliches gilt für die Dekompressionskrankheit.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den (einstweiligen) Zugang der Hyperbaren Sauerstofftherapie (Hyperbare Oxygenation --HBO--).

Diese Therapie ist seit ca. 14 Jahren bekannt, wird aber nach wie vor kontrovers bewertet. Ihr Wirkprinzip beruht darauf, daß der Patient reinen Sauerstoff in einer Druckkammer einatmet, in der ein Überdruck von 0,5 bis 2,0 bar erzeugt wird. Die Therapie wird eingesetzt bei Arterieller Gasembolie, Dekompressionskrankheit, clostridialen Myonekrose, akuten Hörminderung mit oder ohne Tinnitus, Knalltrauma, Otitis Externa Necroticans, diabetischem Fuß, Crush-Verletzungen, Prophylaxe der Osteoradionekrose bei Zahnextraktion nach Bestrahlung, osteointegrierter Implantation nach Bestrahlung, Strahlenzystitis, Neuroblastom im Stadium IV.

Die HBO wurde 1994 von dem damals zuständigen Ausschuß für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des Antragsgegners beraten. Mit Beschluß des Antragsgegners vom November 1994 wurden die HBO in die Anlage 2 der Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien -- NUB-Ri) eingeordnet. Dort waren die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgeführt, die der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anerkannt hat unter dem Gesichtspunkt, daß sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht erforderlich sind, so daß die Voraussetzungen für eine Anerkennung des diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzen der Methode nicht vorliegen und diese Verfahren deshalb in der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung nicht angewandt werden dürften. Im Hinblick auf die breite Diskussion der Methode beantragte die Kassenärztliche Bundesvereinigung im April 1998, die HBO erneut zu beraten. Der Ausschuß "Ärztliche Behandlung" des Antragsgegners erarbeitete einen Fragenkatalog, der an Organisationen weitergeleitet wurde, von denen eine Stellungnahme erwartet werden konnte. 22 derartiger Stellungnahmen ging dem Ausschuß ein. Darüberhinaus werden Methoden und Indikationen beschrieben in "Hyperbare Sauerstofftherapie" von Welslau, Rinneberg, Almeling und Tirpitz (Hrsg.) beschrieben (Göttingen 2000, ISBN 3-9805716-2-9).

Zu der Therapie hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung -- Projektgruppe P 17 "HBO" -- der MDK-Gemeinschaft mit Stand April 1999 ein Gutachten von 729 Seiten erstellt nebst einem 135-seitigen Anhang. Im April 2000 legte der Ausschuß einen zusammenfassenden Bericht von 120 Seiten vor, in dem das Gutachten MDK ausgewertet wurde. Am 10.04.2000 kam der Antragsgegner zu dem Ergebnis, die HBO nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. Dieser Beschluß ist am 12.07.2000 im Bundesanzeiger bekannt gegeben und trat am folgenden Tage in Kraft.

Dagegen wenden sich die Antragsteller mit dem Vorbringen, trotz jenes Beschlusses aus dem Jahre 1994 hätten die Krankenkassen die HBO im Kostenerstattungswege geleistet; nach dem neuerlichen Beschluß jedoch würden Kostenzusagen nicht mehr abgegeben, so daß die Antragsteller vor dem finanziellen Ruin stünden; dies brauchten sie nicht hinzunehmen, weil die von ihnen angebotene Methode vom Antragsgegner mutwillig falsch bewertet werde; der MDK habe bei manchen Indikationen die Therapie selbst als "Goldstandard" bezeichnet; wenn der Antragsgegner die Einführung in die ambulante Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherten nur deshalb ausschließe, weil keine Studien der Evidenzklasse I vorlägen (kontrollierte randomisierte Doppelblindstudien) so übersehe er, daß solche Studien bei vielen Indikationen ethisch unvertretbar seien, weil sie den mit einem Placebo behandelten Patienten einem tödlichen Risiko aussetze; davon sei auch der medizinische Dienst in seinem Gutachten ausgegangen, gleichwohl nehme der Antragsgegner dieses nicht zur Kenntnis; soweit er meine, daß die HBO --wenn überhaupt, so nur-- im Rahmen der stationären Behandlung angewandt werden könne, so berücksichtige er nicht, daß es in Deutschland zur Zeit lediglich in 7 stationären Einrichtungen Druckkammern gebe (Murnau, Ulm, K...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge