Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente. Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Rentenabschlag. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Kammer folgt nicht der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 3, wonach Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Rentenabschlägen nur unterliegen, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen.

2. Wegen der Verlängerung der Zurechnungszeit hält die Kammer den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt der Argumentation des BSG nicht für stichhaltig.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, welchen Zugangsfaktor die Beklagte bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung zugrunde zu legen hat.

Mit Bescheid vom 12.12.2005 gewährte die Beklagte der ... 1955 geborenen Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Oktober 2005 bis September 2007. Dabei verminderte sie bei der Rentenberechnung den Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat nach dem 31.12.2015 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003. Sie errechnete damit für 36 Kalendermonate eine Verminderung von 10,8 %, so dass sie die sich aus dem Versicherungsverlauf ergebenden persönlichen Entgeltpunkte von 31,1690 mit 0,892 multiplizierte und der Rentenberechnung 27,8027 Entgeltpunkte zugrunde legte. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 29.09.2006 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag. Unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 16.05.2006 (Az.: B 4 RA 22/05) hielt sie die Minderung des Zugangsfaktors auf einen Wert unterhalb 1,0 für rechtswidrig.

Mit Bescheid vom 20.10.2006 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Rentenbescheides vom 12.12.2005 und eine Berechnung der Rente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktor von 1,0 statt 0,892 ab. Der Widerspruch der Klägerin vom 26.10.2006 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2006 als unbegründet zurück gewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 05.01.2007 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Ziel, eine ungekürzte Renten zu erhalten, weiter verfolgt. Sie beruft sich im wesentlichen auf die genannte Entscheidung des BSG.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2006 zu verurteilen, den Bescheid vom 12.12.2005 abzuändern und ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist im wesentlichen der Ansicht, der Entscheidung des BSG sei nicht zu folgen. Dies begründet sie hauptsächlich damit, in diesem Urteil werde eine völlig neue und in der Absicht des Gesetzgebers entgegengesetzte Sichtweise formuliert. Der Gesetzgeber gehe vielmehr davon aus, dass auch die Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen würden, mit einem Abschlag zu versehen seien. Außerdem sei mit der Neuregelung zum 01. Januar 2001 parallel zur Einführung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten auch die Zurechnungszeit verlängert worden. Dies diene gerade der Abfederung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Auch würden in der Gesetzesbegründung die konkreten Auswirkungen der Abschläge auf die Rentenhöhe bei Personen dargestellt, bei denen der Eintritt der Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgt. Dies mache die Intention des Gesetzgebers deutlich. Die Rentenversicherungsträger folgten daher dem erwähnten Urteil des BSG über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht. Eine Neuberechnung der Rente ohne Abschläge komme nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten über die Klägerin in vollem Umfang Bezug genommen. Alle Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 20.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2006 ist nicht rechtswidrig. Zutreffend hat die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 12.12.2005 abgelehnt.

Gemäß § 44 Abs.1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Der Bescheid vom 12.12.2005 ist jedoch nicht unrichtig.

Die angefochtene Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte mit einem auf 0,892 geminderten Zugangsfaktor ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs.2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente.

Gemäß § 77 Abs.2 Satz 1 Ziff.3 SGB VI ist der Zugangsfaktor für...

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