Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Anerkennungsbescheides über einen erheblichen Arbeitsausfall durch die Agentur für Arbeit zur Gewährung von Kurzarbeitergeld
Orientierungssatz
1. Nach § 99 Abs. 3 SGB 3 hat die Agentur für Arbeit dem Anzeigenden (hier: eine Fluggesellschaft) unverzüglich einen schriftlichen Bescheid darüber zu erteilen, ob aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Betrieb i. S. der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld ist auch eine Betriebsabteilung.
3. Der Arbeitsausfall ist gemäß § 99 Abs. 1 SGB 3 bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, anzuzeigen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2020 verpflichtet, der Klägerin hinsichtlich ihrer in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Heimatbasen für den Zeitraum vom 01.06.2020 bis zum 28.02.2021 einen Anerkennungsbescheid nach § 99 Abs. 3 SGB III zu erteilen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Anerkennungsbescheides bezüglich Kurzarbeitergeld für die Monate Juni 2020 bis einschließlich Februar 2021, hilfsweise die Gewährung von Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: Mitarbeiter) für die Monate Juni 2020 bis einschließlich Februar 2021.
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft mit Unternehmenssitz auf D., sie gehört zur E.-Gruppe. Seit dem 01.01.2020 wird der Flugbetrieb der Gruppe in Deutschland ausschließlich durch die Klägerin wahrgenommen, die in Deutschland stationierten Mitarbeiter sind seitdem bei der Klägerin angestellt. Die Klägerin betreibt Standorte (sog. Heimatbasen) an mehreren deutschen Flughäfen, im Einzelnen (...). An diesen Heimatbasen sind die Flugzeuge der Klägerin; die als Flug- und Kabinenpersonal beschäftigten Mitarbeiter sind jeweils einer Heimatbasis der Klägerin an einem deutschen Flughafen zugewiesen. Die Klägerin behält sich in den jeweiligen Arbeitsverträgen vor, ihre Mitarbeiter auch an eine andere Heimatbasis zu versetzen. Die Lohnabrechnung für die in Deutschland stationierten Mitarbeiter der Klägerin wird durch einen externen Dienstleister in L. vorgenommen.
Die Leitung des Flugbetriebes (Chefpilot) und die Personalleitung sind am Unternehmenssitz auf D. verortet. An den einzelnen Heimatbasen sind jeweils ein base captain für das Flug- und ein base supervisor für das Kabinenpersonal zuständig. Bei diesen handelt es sich um Mitarbeiter, welche neben ihrer Tätigkeit im Flugbetrieb auch administrative Aufgaben wahrnehmen. Der base captain und sowie der base supervisor haben zu diesem Zweck eigene Entscheidungskompetenzen, die jedoch sehr begrenzt sind und lediglich dem Zweck dienen, einen reibungslosen Ablauf des Betriebs vor Ort sicherzustellen. Alle wesentlichen Entscheidungen im Flugbetrieb und im Personalbereich werden von der Unternehmensleitung auf D. getroffen. Die Klägerin verfügt an den Heimatbasen über Räumlichkeiten, in denen der jeweilige base captain und base supervisor ihre administrativen Tätigkeiten ausüben; die Räumlichkeiten stehen aber auch den weiteren Mitarbeitern während ihrer Dienstzeiten als Aufenthaltsort zur Verfügung und werden für Schulungen genutzt. Zudem haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, die dort eingerichteten Computerarbeitsplätze für dienstliche Zwecke zu nutzen.
Im März 2020 zeigte die Klägerin aufgrund der Corona-Pandemie einen erheblichen Arbeitsausfall bei der Beklagten an. Zudem schloss die Klägerin mit den Gewerkschaften Ver.di und Vereinigung Cockpit (VC) Tarifverträge zur Einführung von Kurzarbeit zunächst für die Zeit ab dem 19.3.2020 befristet bis zum 31.5.2020, sodann weitere befristet bis zum 30.6.2020.
Die Beklagte erließ am 01.04.2020 zunächst einen Anerkennungsbescheid gem. § 99 Abs. 3 SGB III hinsichtlich des erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld für den Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 31.05.2020. Mit Bescheid vom 29.05.2020 hob die Beklagte den Anerkennungsbescheid vom 01.04.2020 jedoch wieder auf. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass die Klägerin keinen Betrieb in Deutschland unterhalte, da alle wesentlichen Entscheidungen auf D. getroffen würden. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte beim Sozialgericht L. die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs; das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 24 AL 336/20 ER geführt. Das Sozialgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 06.07.2020 statt, die Beschwerde der Beklagten und dortigen Antragsgegnerin ist ohne Erfolg geblieben ( LSG NRW, Beschluss vom 17.09.2...