Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Rentenversicherungsbeitrag für eine angemessene Alterssicherung der Pflegeperson. Grundsicherung im Alter. kein Ermessen
Orientierungssatz
1. Im Rahmen des § 65 Abs 2 SGB 12 findet weder eine Ermessensabwägung noch eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Beitragszahlung statt.
2. Die Rechtsauffassung eines Sozialhilfeträgers, wonach die Leistung von Beiträgen gem § 65 Abs 2 SGB 12 zur angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson entbehrlich ist, wenn die Pflegeperson voraussichtlich keinen Anspruch erwerben kann, welcher über der Grundsicherung im Alter liegt, ist nicht zutreffend.
3. Die Grundsicherung im Alter gem §§ 41ff SGB 12 stellt keine angemessene Altersversorgung iS des § 65 Abs 2 SGB 12 dar.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2005 verurteilt, dem Kläger ab 05.02.2003 Beiträge für eine angemessene Alterssicherung seiner Mutter in der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beiträgen zur Alterssicherung der Mutter des Klägers im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach § 65 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) bzw. nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Der am 10.07.1982 geborene Kläger ist zusammen mit seinen Eltern als Spätaussiedler am 25.02.2002 aus der Ukraine in die Bundesrepublik eingereist. Er ist von der Halswirbelsäule an querschnittsgelähmt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100, den Merkzeichen "G" - erhebliche Gehbehinderung -, "aG" - außergewöhnliche Gehbehinderung -, "B" - Notwendigkeit ständiger Begleitung -, "H" - Hilflosigkeit - und "RF" - Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht -. Er wird von seiner Mutter ..., geboren am 24.07.1960, gepflegt. Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Nordrhein vom 20.05.2003 wurde er zunächst in die Pflegestufe II eingeordnet. Auf seinen Antrag von August 2002 erhielt der Kläger zunächst Hilfe zum Lebensunterhalt, später Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsminderung. Auf seinen am 05.02.2003 gestellten Antrag auf Hilfe zur Pflege wurde ihm durch Bescheid vom 25.03.2004 rückwirkend seit September 2002 Pflegegeld nach § 69a BSHG nach der Pflegestufe III bewilligt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und monierte, dass für seine ihn pflegende Mutter keine Beiträge in der Rentenversicherung entrichtet würden.
Durch Bescheid vom 13.02.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme von Beiträgen der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung nach § 69b Abs. 1 u. 2 BSHG ab mit der Begründung, dass nach dem zum 01.01.2003 in Kraft getretenen Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, einen Leistungsanspruch haben und damit auch eine angemessene Alterssicherung.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass seine Eltern aus den in der Ukraine zurückgelegten Arbeitszeiten in der Bundesrepublik Deutschland keine Rentenansprüche geltend machen könnten. Die von seiner Mutter zurückgelegten Erziehungszeiten könnten nur im Zusammenhang mit einer in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Zahlung in die Rentenversicherung wirksam werden. Die Grundsicherung sei keine angemessene Alterssicherung und im Falle der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für weitere fast 23 Jahre sei insgesamt eine Sicherung zu erreichen, die deutlich über der Grundsicherung liege.
Durch Widerspruchsbescheid vom 07.12.2005 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte legte im Wesentlichen dar, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Alterssicherung als angemessen erachtet habe, die oberhalb des Niveaus der Hilfe zum Lebensunterhalt liege. Im vorliegenden Fall könne eine angemessene Alterssicherung nicht erreicht werden. Führe Frau ... 20 Jahre lang die Pflege des Klägers aus, würde ihr hieraus ein monatlicher Rentenanspruch in Höhe von 272,00 EUR erwachsen. Ob der Lebensunterhalt durch den Ehegatten im Alter sichergestellt werden könne, sei fraglich, weil Herr ... erst zwei Jahre rentenversicherungspflichtig beschäftigt sei und mit seinen derzeit 48 Jahren bis zur Erreichung der Altersgrenze von 67 Jahren auf maximal 21 Jahre Beitragszeiten kommen könnte. Er könne aus heutiger Sicht eine Altersrente in Höhe von rund 550,00 EUR erwarten.
Hiergegen richtet sich die am 04.01.2006 eingegangene Klage. Der Kläger legt im Wesentlichen dar, dass nach der zutreffenden Einstufung in die Pflegestufe III und unter Berücksichtigung eines höheren Renteneintrittsalters von 67 Jahren seine Mutter nach 24 Jahren und 11 Monaten Rentenbeiträgen unter Zugrundelegung von 80 Prozent der Bezugsgröße eine monatliche Rente von 524,32 EUR zu erwarten habe. Auf die Einwände der Beklagten nach den Feststellungen eine...