Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsgrund. Eilbedürftigkeit. Sozialhilfe. Anschaffung von FFP2-Masken. Zumutbarkeit einer Vorfinanzierung aus dem Regelsatz. Bedarfsdeckung durch Einmalzahlung nach § 144 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
1. Empfängern von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist es zuzumuten, die für die Anschaffung einer angemessenen Anzahl von OP-Masken oder Schutzmasken des Standards FFP2 entstehenden Kosten bis zur Einmalzahlung von 150 € für pandemiebedingten Mehrbedarf aufgrund des Sozialschutz-Paketes III (juris: SozSchPakG III; hier § 144 S 1 SGB XII) im Mai 2021 vorzufinanzieren.
2. Die Einmalzahlung von 150 € ist in der Regel ausreichend, um die Anschaffung einer angemessenen Anzahl an Schutzmasken für das erste Halbjahr 2021 zu finanzieren. Erst nachgewiesen höhere Bedarfe eröffnen eine Prüfung von § 27a Abs 4 S 1 Nr 2 SGB XII.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskotenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt, im Rahmen der Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) die vorläufige Übernahme der Kosten für FFP2-Schutzmasken im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der 1953 geborene Antragsteller ist schwerbehindert (GdB 60) und pflegebedürftig (Pflegegrad 1). Er ist ohne festen Wohnsitz und bestreitet seinen Lebensunterhalt aus einer geringen Altersrente sowie seit dem 01.05.2019 ergänzend durch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von der Antragsgegnerin. Für die Zeit vom 01.09.2020 bis zum 28.02.2021 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen mit Bescheiden vom 03.09.2020, 04.01.2021 und 17.02.2021. Für die Zeit vom 01.03.2021 bis zum 31.08.2021 bewilligte sie Leistungen mit Bescheid vom 18.02.2021. Die Leistungshöhe beträgt monatlich 575,23 € ab dem Monat Januar 2021. Dabei berücksichtigt sie monatliche Regelleistungen i.H.v. 446,00 €. Gegen die Bescheide wurde jeweils Widerspruch eingelegt, eine Entscheidung der Widerspruchsbehörde liegt noch nicht vor. Außerdem erhält der Antragsteller eine Zuwendung für Haftopfer in monatlicher Höhe von 300,00 € nach § 17a des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG).
Am 22.01.2021, 23.01.2021 und 27.01.2021 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin per E-Mail sowie postalisch die Übernahme von monatlich 120 € für die Anschaffung von 30 FFP2-Masken monatlich, beginnend ab Januar 2021 und die sofortige Auszahlung des Betrages wegen besonderer Dringlichkeit. Seit dem 19.01.2021 gelte laut Bund-Länder-Beschluss die Pflicht zum Tragen von medizinischen Masken (sog. OP-Masken oder Masken des Standards KN95/N95 oder FFP2) in öffentlichen Verkehrsmitteln, Bussen, Zügen sowie an Haltestellen und Bahnsteigen sowie in und vor Geschäften und auf Parkplätzen. Normale Alltagsmasken seien nicht mehr zugelassen. Auch der Zutritt zu Krankenhäusern, medizinischen Einrichtungen und stationären Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf sei nur noch mit FFP2-Maske erlaubt. Verstöße gegen die Tragepflicht würden seitens der Ordnungsbehörden mit Bußgeldern geahndet. In Apotheken kosteten FFP2-Masken derzeit zwischen 5 € und 10 € pro Stück. Er beabsichtigte, Masken des Herstellers D. M. zu erwerben, welche er für besonders geeignet halte. Die kosteten 3,80 € pro Stück. Da er täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sei und sich aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes häufig in medizinischen Einrichtungen aufhalte, benötige der Antragsteller mithin 30 Masken monatlich. Er leide an einer Lungenerkrankung (Asthma, COPD, Sarkoidose etc.), Nikotinabusus, Bluthochdruck, einer Herzerkrankung (KHK, Herzinsuffizienz), Diabetes mellitus, einer aktuellen Krebserkrankung mit Schwächung des Immunsystems, einer Lebererkrankung sowie einer Nierenerkrankung. Zudem sei er bereits 67 Jahre alt und ohne festen Wohnsitz. Es lägen also gleich mehrere Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf bei Covid 19 vor. Der bestehende Bedarf an FFP2-Masken werde nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt und könne auch nicht aus dem Regelsatz finanziert werden. Daher sei er als pandemiebedingter Mehrbedarf von der Antragsgegnerin als Trägerin der Grundsicherung zu gewähren.
Mit Bescheid vom 04.02.2021 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge auf Anerkennung der Mehrkosten und Kostenübernahme für FFP2-Masken (monatlich 30 Stück) als pandemiebedingten Mehrbedarf i.H.v. 120,00 € pro Monat ab Januar 2021 und deren sofortige Auszahlung wegen besonderer Dringlichkeit ab. Eine Gewährung des geltend gemachten Mehrbedarfes auf der Grundlage von § 27a Abs. 4 SGB XII komme nicht in Betracht, weil der Bedarf nicht unausweichlich bzw. unabdingbar sei. Seit de...