Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Kosten eines Hörgeräts durch den erstangegangenen Rehabilitationsträger

 

Orientierungssatz

1. Eine Erstattungspflicht besteht, wenn der nach § 15 Abs. 1 S. 4 SGB 9 erstangegangene Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Hat der erstangegangene - unzuständige - Rehabilitationsträger den Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät nicht innerhalb von zwei Wochen wegen Unzuständigkeit abgelehnt und an die zuständige Krankenkasse zur Entscheidung abgegeben, so bleibt er dem Antragsteller gegenüber umfassend zuständig.

2. Die Abgrenzung zwischen dem Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung und der Rentenversicherung hat danach zu erfolgen, ob das Hilfsmittel dem medizinischen Ausgleich der Behinderung dient oder ob es ausschließlich für Verrichtungen bei bestimmten Berufen benötigt wird. Zu den elementaren Grundbedürfnissen zählt es, eine berufliche Tätigkeit auszuüben.

3. Wird die Hörhilfe nicht nur zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung benötigt, sondern generell für eine berufliche Tätigkeit und ebenso für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, so hat der Antragsteller einen Versorgungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse. Diese ist im Rechtsstreit als endgültig zuständiger Leistungsträger notwendig beizuladen.

4. Ist der Behinderungsausgleich nicht durch ein Hörgerät zum festgesetzten Festbetrag zu erreichen, so ist die Hörhilfe in vollem Umfang und ohne Eigenleistung des Versicherten zu gewähren. Der entsprechende Betrag ist dem Antragsteller vom angegangenen Rehabilitationsträger zu erstatten.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 14.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.03.2008 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.367,00 EUR zu erstatten. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenübernahme für ein Hörgerät.

Der 19 ... geborene Kläger ist gelernter Heizungs- und Lüftungsbauer. Seit 01.01.2003 ist er als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb beschäftigt.

Unter dem 28.08.2007 (Eingang bei der Beklagten: 04.09.2007) beantragte der Kläger Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Bezuschussung von Hörgeräten. Dem Antrag legte er eine ohrenärztliche Verordnung über ein Hörgerät bei Schallempfindungsschwerhörigkeit und Tinnitus aurium von Dr. H.-L. vom 13.02.2007 und einen Kostenvoranschlag von der Hörgeräte-Akustiker-Meisterin O.-B. vom 16.06.2007 über zwei Hörhilfen Siemens Centra Active in Höhe von 5.190,00 EUR abzüglich des Krankenkassenanteils von 823 EUR bei. Zur Begründung gab der Kläger an, dass ihn seine Fehlhörigkeit wesentlich bei der Ausübung seiner Außendiensttätigkeit hindere, da er Kundengespräche direkt oder mit Telefon abwickeln müsse. Zudem sei er ganztägig mit dem Auto unterwegs und deswegen aus Sicherheitsgründen auf ein gutes Hörvermögen angewiesen.

Mit Bescheid vom 14.09.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da ein spezielles Hörgerät für die besonderen Höranforderungen im Berufsbild Außendienstmitarbeiter nicht erforderlich sei. Zum Ausgleich der Hörminderung sei die Versorgung mit geeigneten Hörgeräten durch die Krankenversicherung ausreichend.

Unter dem 15.10.2007 bat die Hörgeräte-Akustikerin die beigeladene Krankenkasse des Klägers um die Bewilligung einer Hörgeräteversorgung. Am 22.10.2007 bewilligte die Krankenkasse diese und leistete an die Hörgeräte-Akustikerin einen Festbetrag in Höhe von 823 EUR. Unter dem selben Datum stellte die Hörgeräte-Akustikerin dem Kläger die Restsumme von 4.367 EUR für zwei Hörgeräte Siemens Centra Active in Rechnung. In einer Dokumentation zur Hörgeräte Anpassung vom 05.11.2007 führte die Akustikerin auf, dass die Messung mit dem Hörgerät Siemens Infinity Basic und dem Hörgerät Phonak Micro-Extra 100 ein Sprachverstehen von 40 % und mit dem Hörgerät Siemens Centra Active ein Sprachverstehen von 90 % erbracht hätte. Das Basishörgerät und das preisgünstige Zuzahlungshörgerät seien technisch nicht in der Lage, mittels Sprachanalyse Sprache und Störsignal zu trennen.

Im gegen die Beklagte geführten Widerspruchsverfahren legte der Kläger u.a. eine Bescheinigung seines Arbeitsgebers vom 26.10.2007, wonach ein sehr gutes Verständigungsvermögen ein wesentlicher Aspekt seiner Tätigkeit sei, und eine undatierte Bescheinigung von Dr. H.-L. vor, wonach sie dem Kläger zu einer Anpassung mit digitalen Hörsystemen geraten habe. Die würden im echten Leben bessere Sprachverständlichkeit und Störlärmunterdrückung bringen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger aus medizinischer Sicht auf speziell angepasste Hörhilfen angewiesen sei. Die gewählten Hörhilfen seien erforderlich zum Ausgleich der Behinderung und dienten nicht ausschließlich der Ausübung des Berufes.

Mit Schreiben vom 04.04.2008, eingegangen am 07.04.2008, hat der Kläger vor d...

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