Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung auch bei Selbstzahlung der Beiträge durch den Versicherungsnehmer. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Kapitalleistung aus der betrieblichen Altersversorgung (hier: aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung) unterliegt auch insoweit der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, als die Versicherte die Beiträge ab 1.1.2004 selbst bezahlt hat.

2. Die zum 1.1.2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz eingeführte Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in der Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 229 Abs 1 S 3 SGB 5 idF vom 14.11.2003 ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.03.2011; Aktenzeichen B 12 KR 23/10 R)

BSG (Beschluss vom 30.03.2011; Aktenzeichen B 12 KR 23/10 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung aus zwei abgelaufenen Kapitallebensversicherungen.

Der 19 ... geborene Kläger, der früher als Betriebsmittelkonstrukteur tätig war, bezieht seit dem 01.01.2004 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 29.12.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass rentenähnliche Einnahmen (Versorgungsbezüge) beitragspflichtig seien und bat um Angabe der dem Kläger zustehenden Bezüge. Die frühere Arbeitgeberin des Klägers, die Firma V. in R., teilte der Beklagten am 14.01.2004 mit, dass der Kläger seit dem 01.01.2004 einen Versorgungsbezug von monatlich 266,76 EUR von ihr erhalte.

Mit Bescheid vom 16.01.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich bei Versorgungsbezügen von 266,76 EUR ein Monatsbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung von 42,42 EUR ergebe und die Beitragspflicht am 01.01.2004 beginne. Der Kläger erhob am 07.03.2004 Widerspruch und bat, das Verfahren bis zur Entscheidung von Musterprozessen ruhen zu lassen. Dem stimmte die Beklagte zu.

Am 02.06.2005 teilte die H. Lebensversicherung AG der Beklagten mit, dass am 01.06.2005 zwei Lebensversicherungen des Klägers mit meldepflichtigen Guthaben von 2.124, 89 EUR und 30.571,92 EUR zur Auszahlung kämen. Mit Bescheid vom 17.06.2005 und vom 16.08.2005 verlangte die Beklagte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den einmal gezahlten Abfindungen in Höhe von 40,51 EUR und 2,81 EUR monatlich ab dem 01.07.2005 bis zum 30.06.2015. Der Kläger legte Widerspruch ein und machte Vertrauensschutz geltend. Auch habe er die Direktversicherungen nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31.12.2003 auf privater Basis fortgesetzt. Die Beklagte hörte den Kläger am 19.09.2005 an und erläuterte ihre Rechtsauffassung. Der Kläger stellte bei ihr am 03.10.2005 Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Die Beklagte reagierte mit einer erneuten Anhörung, Darlegung der Rechtsgrundlagen ihres Vorgehens und verlangte Zahlung der rückständigen Beträge. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers bezüglich der Beitragszahlungen aus den Kapitallebensversicherungen unter Hinweis auf die Regelung des § 229 Abs. 1 S. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als unbegründet zurück.

Am 26.10.2005 stellte der Kläger den Antrag, die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche gegen die Beitragsfestsetzung zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den Kapitallebensversicherungen anzuordnen. Die Beitragserhebung sei unrechtmäßig, denn die Kapitalauszahlung der Direktversicherung müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen beitragsfrei gestellt werden. Wenn er zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherungen gewusst hätte, dass Direktversicherungen der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherungen unterworfen würden, hätte er sich nicht für diese Anlageform entschieden, denn seine Rendite werde im Nachhinein erheblich geschmälert und er damit zum Teil enteignet, was gleichzeitig eine Ungleichbehandlung mit anderen privaten Anlageformen darstelle. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen nicht erkannt, was ihre Entscheidungen rechtswidrig mache.

Mit Beschluss vom 08.02.2006 (S 2 KR 2754/05 ER) lehnte das Gericht den Antrag ab. Die Aussetzung der Vollziehung setze ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts voraus, was nicht der Fall sei. Die Kapitallebensversicherungen unterfielen nach § 229 SGB V seit dem 01.01.2004 der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V würden bei versicherungspflichtig Beschäftigten auch Versorgungsbezüge als der Rente vergleichbare Einnahmen zugrunde gelegt; darunter fielen Direktversicherungen als Bestandteil einer betrieblichen Gesamtversorgung. Die Heranziehung von Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen zur Beitragsbemessung der Kranken- und Pflegeversicherung sei...

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