Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.
2. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Landshut vom 18.6.2019 - S 4 KR 235/19, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
I. Der Bescheid vom 18.01.2019 in Form des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2019, Az.: ..., wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 23.01.2019 bis 31.03.2019 in Höhe von 1.951,60 Euro freizustellen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Freistellung von den Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe, Blutzuckermessungen sowie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen vom 23.01.2019 bis 31.03.2019 während die Klägerin in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt.
1.
Die am 10.05.1935 geborene Klägerin lebt seit dem 01.02.2017 in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft "..." zusammen mit 8 weiteren Personen.
Die Klägerin erhält Pflegeleistungen aus dem Pflegegrad 4. Leistungen der Pflegeversicherung werden im Rahmen der Sachleistung in Anspruch genommen. Die Pflegekasse zahlt auch den Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214,00 €.
2.
Dem Aufenthalt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft "..." lagen folgende Verträge zugrunde:
Mit der K. N. schloss die Klägerin den Mietvertrag vom 15.02.2017 (Mietvertrag), der u.a. folgende Regelungen enthält:
§ 1 Mietobjekt:
vermietet werden in der Demenzwohngemeinschaft "..." P...gasse .. Zimmer Nr. 6 Einzelzimmer mit 21 m², Gemeinschaftsfläche mit 25 m², Insgesamt 46 m²
§ 3 Miete und Nebenkosten:
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Die Nettokaltmiete beträgt monatlich: |
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483,00 € |
Die Betriebskostenvorauszahlung monatlich: |
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120,00 € |
Insgesamt derzeit monatliche Miete: |
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603,00 € |
§ 16 Besondere Vereinbarung zur Wohngemeinschaft/ Bewohnergremium/ Angehörigengremium:
Die Wohngemeinschaft setzt sich in der Regel aus 10 - 12 Bewohner/Innen zusammen. Der Vertrag ist in seiner Wirksamkeit abhängig von einer Mitgliedschaft im Angehörigengremium, die Mitgliedschaft ist gesondert geregelt. Für den Mieter ist die vom Gremium festzusetzende Hausordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung bindend.
Mit der R. ambulante Pflege GmbH schloss die Klägerin folgende Verträge:
- den Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen vom 15.02.2017 (Pflegevertrag), der folgende Regelungen enthält:
1. Inhalt und Umfang der Leistungen
Häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V gemäß ärztlicher Verordnung nach Genehmigungsbescheid der Krankenkasse.
Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI nach Kostenvoranschlag.
- den Betreuungsvertrag für ambulant betreute Wohngemeinschaften vom 15.02.2017 (Betreuungsvertrag), mit folgendem Inhalt:
§ 2 Leistungsumfang
Der Dienstleistungsanbieter erbringt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft im Rahmen einer ständigen Anwesenheit von einer geschulten Mitarbeiterin und Mitarbeitern Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung.
§ 4 Vergütung
Die monatlichen Aufwendungen werden als Pauschalleistung abgerechnet. Das Entgelt für psychosoziale Betreuung und Begleitung beträgt 730,00 € pro Monat.
- den Hauswirtschaftsvertrag:
Leistungen der Verpflegung in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft "..." vom 15.02.2017 (Hauswirtschaftsvertrag), mit folgenden Vereinbarungen:
§ 2 Abs. 1:
Der Pflegedienst erbringt in der Wohngemeinschaft im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes Leistungen der Verpflegung.
Hauswirtschaftliche Leistungen im Sinne des SGB XI werden gesondert im Pflegevertrag vereinbart und entsprechend dieser Vereinbarung erbracht und vergütet.
§ 3 Abs. 1:
Die Leistungen der Verpflegung werden im Rahmen der 24-stündigen Anwesenheit eines Mitarbeiters des Pflegedienstes täglich erbracht. Die Vergütung für die in diesem Vertrag festgelegten Leistungen beträgt monatlich 180,00 € (Verpflegungspauschale)
Außerdem wurde eine Vereinbarung der Mitglieder der Demenz Wohngemeinschaft (Gemeinschaftsvereinbarung), die nicht unterzeichnet ist, vorgelegt.
Mit der Gemeinschaftsvereinbarung schließen sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft zu einer Gemeinschaft zusammen, die dazu dient das Miteinander der Wohngemeinschaft zu gestalten, gemeinsame Interessen gegenüber Dritten zu vertreten sowie die Gemeinschaft betreffende Geschäfte abzuschließen, mit folgendem Inhalt:
1. Zweck der Vereinbarung: ...Als von Leistungsanbietern strukturell unabhängig gelten die Mitglieder dann, wenn die Inanspruchnahme von Leistungen eines Pflegedienstes unabhängig von der Inanspruchnahme von Wohnraum erfolgt. Zudem ist der Pflegedienst frei gewählt.
3.
Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Gem...