Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Reisekosten für eine Begleitperson auf einer Kreuzfahrt
Orientierungssatz
1. Die Teilnahme an einer Kreuzfahrt ist weder darauf angelegt, noch erforderlich, um eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.
2. Az beim LSG Chemnitz: L 8 SO 6/18
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung der Reisekosten für eine Begleitperson auf einer Kreuzfahrt im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Der 1968 geborene Kläger leidet unter spinaler Muskelatrophie und schweren Wirbelsäulenverbiegungen. Seit frühester Kindheit ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Aus der sozialen Pflegeversicherung erhält er Leistungen nach der Pflegestufe III. Ferner bezieht er von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland eine Erwerbsunfähigkeitsrente; zudem erhält er das staatliche Kindergeld. Vom Beklagten erhält der Kläger seit 2002 Leistungen der Hilfe zur Pflege u.a. in Form der Übernahme der Kosten von drei Assistenten, welche der Kläger im sogenannten „Arbeitgebermodell“ beschäftigt.
Am 23.04.2016 beantragte der Kläger die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson auf einer Kreuzfahrt mit zwei Landausflügen vom 02.07.2016 bis 09.07.2016 in Höhe von insgesamt 2015,50 €.
Die Kosten werde zunächst sein Vater vorlegen.
Mit Bescheid vom 26.05.2016 lehnte der Beklagte die Leistung ab. Es handele sich nicht um eine Eingliederungs-, sondern um eine Erholungsmaßnahme.
Dagegen erhob der Kläger am 06.06.2016 Widerspruch.
Ein Behinderter, so auch der Kläger, müsse sich nicht mit der Eingliederung im häuslichen Umfeld begnügen. Der Kläger müsse mit Nichtbehinderten allgemein, und nicht nur mit nichtbehinderten Sozialhilfeempfängern gleichgestellt werden.
Der Kläger nahm an der geplanten Reise zu den vorab mitgeteilten Kosten teil.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2016 zurück. Die Reise sei nicht für die Eingliederung des Klägers erforderlich.
Der Kläger hat am 17.10.2016 Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, dass er Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen habe. Die Reise sei neben seinen sonstigen Aktivitäten zur Begegnung auch mit nichtbehinderten Menschen erforderlich. Auch einem behinderten Menschen müsse die Gelegenheit gewährt werden, auf einer Urlaubsreise für einige Tage dem gewohnten Umfeld zu entfliehen. Die ihn selbst betreffenden Reisekosten habe der Kläger aus eigenen Mitteln angespart. Ein Ansparen auch der Mittel für den zwingend benötigten Assistenten wäre aufgrund der bis dato geltenden Vermögensfreibeträge nicht einmal möglich gewesen. Eine Gleichstellung habe nicht nur mit Sozialhilfeempfängern, sondern auch mit der nicht auf Transferleistungen angewiesenen Bevölkerung zu erfolgen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26.05.2016, Az. 20102/ST, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016, Az. 10111/085.15/10120/16/072/WE, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Begleitperson anlässlich einer Urlaubsreise vom 02. bis 09.07.2016 in Höhe von 2.015,50 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Reise zur Eingliederung des Klägers nicht erforderlich gewesen sei. Der Kläger sei im Vergleich zu anderen Behinderten und auch nicht Behinderten durchaus gut in die Gesellschaft integriert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Prozessakten, insbesondere die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2017, und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 26.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für seine Begleitperson auf der Kreuzfahrt vom 02.07.2016 bis 09.07.2016.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenerstattung als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach den §§ 19 Abs. 3, 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Gemäß §§ 19 Abs. 3, 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (Artikel 1 des Gesetzes v. 19.6.2001, BGBl. I S. 1046)(SGB IX) werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von...