Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. keine Streitsachengebühren (da Klägerin = Schülerin). Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. organisatorischer Verantwortungsbereich. sachlicher Zusammenhang. Schüler. Projektarbeit außerhalb des Schulgeländes
Leitsatz (amtlich)
Unter Versicherungsschutz steht auch ein Wegeunfall, der sich im Rahmen einer Projektarbeit bei einer Berufsbildenden Schule (hier: Videoaufnahmen) außerhalb des Schulgeländes ereignet.
Tenor
1. Der Bescheid vom 14.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2009 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 05.04.2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) um die Anerkennung eines Ereignisses vom 05.04.2007 als Arbeitsunfall.
Im Jahr 2007 war die im Jahr 1988 geborene Klägerin Schülerin an der Berufsbildenden Schule H.. Im Rahmen des Informationsverarbeitungsunterrichtes im 12. Schuljahr hatte sie eine Projektarbeit mit dem Titel "850 Jahre H. " anzufertigen. Diese Projektarbeit stellte eine Gruppenarbeit dar und hatte unter anderen die Erstellung eines Videos zu diesem Thema zum Inhalt. Die Schüler erhielten den Projektauftrag am 05.03.2007 und sollten das anzufertigende Video nach den Osterferien am 23.04.2007 abgeben.
Am 05.04.2007 - also innerhalb der Osterferien - begab sich die Klägerin mit dem Pkw ihrer Mutter zu einem Mitglied ihrer Arbeitsgruppe. Dabei kam es zu einem schweren Verkehrsunfall. Die Klägerin ist aufgrund dieses Unfalls schwerstbehindert.
Mit Bescheid vom 14.11.2008 (Bl. 13 der Gerichtsakte) lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Unfalles ab, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht versichert gewesen sei. Die Anfertigung einer Projektarbeit außerhalb des Unterrichts entspreche der Anfertigung von Hausaufgaben. Dieses stünden zwar im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit - der schulischen Tätigkeit -, seien jedoch nicht versichert, da sie dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule entzogen seien. Eine jederzeit mögliche Kontrolle unter Überwachung sowie eine erzieherische Einwirkung für die Anordnung von Ordnungsmaßnahmen durch die Schule seien nicht gegeben gewesen. Durch die eindeutige Stellung der Aufgabe seien die notwendigen Arbeiten in allen Bereichen, also auch im außerschulischen Bereich auszuführen gewesen. Die Erfüllung der Aufgabe sei unmissverständlich aus dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule herausgenommen worden und uneingeschränkt dem privaten Bereich der Schüler bzw. der Schülerinnen zugewiesen worden.
Den Widerspruch der Klägerin vom 08.12.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2009 als unbegründet zurück. Sie bezieht sich insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.05.1988, Aktenzeichen 2 RU 5/88. Die betreuenden Lehrkräfte hätten keine örtlichen oder zeitlichen Vorgaben gemacht. Die Schüler hätten die Bewältigung ihrer Projektarbeit selbstständig organisieren müssen und waren in der Wahl des Bearbeitungsortes frei. Grundsätzlich sei daher selbständiges Arbeiten vorgesehen gewesen.
Die Klägerin hat am 02.04.2009 Klage erhoben.
Sie trägt vor, die in der Schule begonnene Projektarbeit in der Gruppe sei mit 30% in die Note der mündlichen Leistungen für das Semester eingegangen. Das Projekt sollte während der Osterferien von den Schülerinnen zu Ende geführt werden. Die Projektarbeit konnte aber nur zu Ende geführt werden, wenn sich die Mitglieder der Projektgruppe verabreden. Da die Bearbeitung des Projektes als Schulaufgabe vorgegeben war, müsse das Zusammentreffen der Schülerinnen als Schultreffen bewertet werden. Der Unfall auf den Weg zum Treffen müsse daher als Schulwegeunfall behandelt werde.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid vom 14.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2009 aufzuheben,
2. festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 05.04.2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.06.1993, Az. 2 RU 340/92 sowie das Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.08.2002, Az. L 1 U 1903/01.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.09.2011 Herrn I. als Zeugen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselte Korrespondenz, die Gerichtsakte sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten zum Aktenzeichen 08109295 ergänzend Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (v...