Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs des Versicherten auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung
Orientierungssatz
1. Nach § 43 Abs. 3 SGB 6 ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
2. Das Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen führt trotz eines sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes. Ein sog. Seltenheitsfall oder Katalogfall verpflichtet den Rentenversicherungsträger zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die (Weiter-)Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Die am ... geborene Klägerin bezog vom 1. März 2001 bis zum 31. August 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Am 15. Juni 2009 beantragte sie die Weiterzahlung ihrer Rente.
Nach Einholung von Befundberichten veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin von Dr. F. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 2. November 2009 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in der Lage sei für sechs Stunden und mehr eine leichte Tätigkeit mit weiteren Einschränkungen ausüben zu können.
Mit Bescheid vom 18. November 2009 lehnte die Beklagte den der Klägerin Antrag ab, da sie noch mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könnte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Die Klägerin hat am 15. April 2010 Klage vor dem (ehemaligen) Sozialgericht Stendal erhoben.
Sie sei aufgrund ihrer Erkrankungen weiterhin nicht leistungsfähig.
Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,
den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt auch im Gerichtsverfahren die Ansicht, die sie schon im Verwaltungsverfahren vertreten hat.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Sodann hat das Gericht Befundberichte von Dr. L., Dr. J. und DM B. eingeholt.
Sodann hat das Gericht den Facharzt für Orthopädie Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat die Klägerin am 21. Februar 2011 untersucht und sein Gutachten am 28. Februar 2011 erstellt. Er hat folgende Diagnosen gestellt:
1. Belastungs- und Ruheschmerzen in beiden Füßen mit aufgehobener Abrollfunktion beider Füße, diversen Narben und Druckschmerzhaftigkeit mit aufgehobener Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk und deutlich eingeschränkter Beweglichkeit, vor allem des linken oberen Sprunggelenkes und aufgehobener Beweglichkeit der Zehen sowie ausgeprägter Fehlstellung bei Zustand nach komplexer Fußverletzung beiderseits mit diversen Frakturen und nachfolgendem Kompartementsyndrom mit Sensibilitätsstörungen in beiden Füßen und ausgeprägtem Hohl-, Spreiz- und Krallenfuß beiderseits bei radiologisch nachgewiesener Arthrose im Mittel- und Vorfuß beiderseits.
2. Cervikocephalgie und Cervikobrachialgie rechts, d. h. Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in die rechte Schulter und zeitweise Kopfschmerzen bei Muskelhartspann mit Druckschmerzhaftigkeit bei noch ausreichender Beweglichkeit bei radiologisch nachweisbaren leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen ohne objektivierbare radikuläre Ausfallsymptomatik.
3. Lumboischialgien, d. h. rezidivierende Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit gürtelförmiger Ausstrahlung und Ausstrahlung in die Beine bei Muskelhartspann und Druckschmerzhaftigkeit, ausreichender Beweglichkeit ohne objektivierbare radikuläre Ausfallsymptomatik bei radiologisch nachweisbaren leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen der unteren Wirbelsäule und leichter Fehlstellung.
4. Zustand nach linksseitiger Radiusfraktur mit ausreichender Beweglichkeit.
5. Zustand nach linksseitiger Schlüsselbeinfraktur mit verkürztem Schultergürtel links ohne wesentliche Beschwerdesymptomatik.
6. Rezidivierende Belastungsschmerzen der rechten Schulter mit leichter Druckschmerzhaftigkeit bei ausreichender Funktion bei rezidivierender Schleimbeutelentzündung zwischen Oberarmkopf und Schulterdach ohne radiologisch nachweisbare wesentliche degenerative Veränderungen.
7. Rezidivierende Belastungsschmerzen im linken Kniegelenk durch Fehlbelastung bei Subluxationsstellung des linken Fußes ohne radiologisch nachweisbare wesentliche degenerative Veränderungen bei guter Funk...