Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. kein schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. fehlerhafte Datenerhebung bzw -auswertung. keine realitätsgerechte Mietwerthebung. überwiegende Berücksichtigung von Mietwerten aus SGB-II-Datensätzen. keine Differenzierung nach Wohnstandard und Beheizungsart bei den Heizkosten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Mietwohnungsmarkt ist nicht realitätsgerecht abgebildet, wenn die Mietwerte aus SGB-II-Datensätzen deutlich dominieren. Bei diesen Datensätzen kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass es sich um einen repräsentativen Wohnungsbestand mit einfachem, mittlerem und gehobenen Wohnungsstandart handelt. Wenn dann eine realitätsgerechte Bestimmung der Nachfragerhaushalte im unteren Segment auf diese verzerrte Darstellung des Mietwohnungsmarktes übertragen und so die Perzentilgrenze festgelegt wird, ist das Konzept unschlüssig.
2. Ein Konzept zu den angemessenen Kosten der Heizung ist unschlüssig, wenn die Grenze im Median aller erhobenen Werte für Wohnungen einfacher, mittlerer und gehobener Ausstattung plus Standardabweichung zur Beachtung eines abweichenden Heizverhaltens des Leistungsempfängers ermittelt wird, da ungünstigere Energiekonzepte im einfachen Wohnungsstandard und erhebliche Abweichungen in den Aufwendungen nach der Beheizungsart dann jedenfalls keine hinreichende Berücksichtigung gefunden haben.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2016 in der Gestalt der Bescheide vom 20. Dezember 2016, 29. August 2017, des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2017, der Bescheide vom 6. Oktober 2017 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis 30. April 2017 in Höhe von 2,58 EUR monatlich zu zahlen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Kosten der Unterkunft und Heizung, betreffend den Leistungszeitraum vom 1. November 2016 bis 30. April 2017. Umstritten ist hierbei insbesondere die Anwendbarkeit des nachgebesserten Konzepts für die angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung ab dem 1. August 2016.
Der am ... 1960 geborene Kläger bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts seit dem 1. Januar 2005. Er bewohnte seit 2004 eine 2-Raum-Mietwohnung in Ballenstedt mit einer Wohnfläche von 51 m² bei einer Nettokaltmiete iHv 275,00 EUR, Vorauszahlungen für Betriebskosten iHv 45,00 EUR und für Heizkosten iHv 90,00 EUR monatlich laut Mietbescheinigung. Nach einem Vergleich im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beim Amtsgericht Quedlinburg war der Kläger zum 31. März 2016 zum Auszug verpflichtet. Er beantragte am 12. April 2016 die Zusicherung für die Übernahme von Unterkunftskosten ab dem 1. Mai 2016 bei Umzug in eine 2 ½ Zimmer-Wohnung in Ballenstedt mit einer Wohnfläche von 54 m² bei 275,00 EUR Nettokaltmiete und 30,00 EUR kalter Nebenkosten und meldete gleichzeitig den Wohnungswechsel an. In einem Gespräch beim Beklagten am 14. April 2016 wurde die Notwendigkeit des Umzugs festgestellt. Die Kosten seien jedoch nicht angemessen und würden nur in Höhe der angemessenen Kosten übernommen. Die Warmwasseraufbereitung erfolge dezentral. Nach dem vorgelegten Mietvertrag vom 13. April 2016 waren eine Nettokaltmiete iHv 270,00 EUR und Nebenkosten iHv 55,00 EUR monatlich zu zahlen. Heizkosten fielen bei Nachtspeicheröfen extra an. Hierzu legte der Kläger einen Beleg über die Zahlung von 70,00 EUR monatlich ab Mai 2016 vor.
Mit seinem Sohn D., geboren am ... 2002, besteht eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft. D. wird zeitweise in der Woche, an den Wochenenden und in den Ferien von seinem Vater - dem Kläger - betreut, versorgt und erzogen. Im Jahr 2013 hatten die Eltern von D. einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach der Kläger sein Umgangsrecht mit D. alle 2 Wochen von sonnabends 10.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr, einmal wöchentlich 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr, 2 Wochen in den Sommerferien und die Hälfte der Schulferien wahrnehme.
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2016 auf die seiner Ansicht nach unangemessenen Unterkunftskosten hin und forderte ihn zur Kostensenkung auf.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2016 bewilligte der Beklagte auf den Fortzahlungsantrag des Klägers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 30. April 2017 iHv 739,50 EUR monatlich. Eingeflossen waren Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 267,50 EUR plus 58,71 EUR. Hiergegen wandte sich der Kläger am 15. November 2016 mit Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht zu begrenzen seien, da ein schlüssiges Konzept nicht vorliege. Darüber ...