Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Regress. Vernichtung von Impfstoffen aufgrund eines technischen Defekts des Kühlschranks. Kostenrisiko des Vertragsarztes
Leitsatz (amtlich)
Werden Impfstoffe, die über den Sprechstundenbedarf bezogen wurden, durch eine Havarie in der Praxis des Vertragsarztes unbrauchbar und müssen vernichtet werden, hat der Vertragsarzt die Beschaffungskosten für die verworfenen Impfstoffe den Krankenkassen zu erstatten, weil er das Risiko für die Lagerung und Verwendung der bezogenen Impfstoffe trägt. Die Prüfungsstelle bzw der Beschwerdeausschuss sind im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Festsetzung der Erstattung zuständig.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7. trägt die Klägerin. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 24.394,91 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Regress, den der Beklagte anlässlich der Prüfung der Abrechnung von Impfstoffen festgesetzt hat, die sie im Rahmen von Sprechstundenbedarf bezogen hatte.
In der klagenden Berufsausübungsgemeinschaft nehmen niedergelassene Kinderärzte an der vertragsärztlichen Versorgung in der Landeshauptstadt Magdeburg teil. Am Montag, dem 03.03.2014, wurde in der Praxis festgestellt, dass in ihrem Kühlschrank, in dem die Impfstoffe bei einer Lagertemperatur von +2°C bis +8°C aufbewahrt werden, eine Temperatur von -5°C herrschte. Die Reparatur am Folgetag ergab, dass ein Relais im Regler des Kühlschrankverdichters klemmte, so dass es zu dem Temperaturabfall gekommen war. Die Klägerin ging nach Rücksprache mit den Impfstoffherstellern und mit dem Apotheker, von dem sie die Impfstoffe bezieht, davon aus, dass die von der Havarie betroffenen Impfstoffe unbrauchbar geworden waren. Am 18.03.2014 gab sie diese Impfstoffe an die Apotheke zur Vernichtung ab. Diese bestätigte schriftlich die Entgegennahme und die Vernichtung der diversen Impfdosen in unterschiedlichen Verpackungsgrößen im Gesamtwert von 24.394,91 Euro.
Anschließend zeigte die Klägerin die Havarie und die Vernichtung der Impfstoffe mit Schreiben vom 19.03.2014 bei der Rezeptprüfstelle Duderstadt (RPD) an. Das Schreiben ging dort am 21.03.2014 ein; außerdem benachrichtigte sie auch die Beigeladene zu 1. Sie gab an, dass ein technischer Defekt in dem von ihr genutzten DIN-gerechten Medikamenten- und Impfstoffkühlschrank eine vermutlich mehrstündige Fehlkühlung verursacht habe. Dadurch seien Impfstoffe, die als Sprechstundenbedarf bezogen worden seien, im Wert von 24.394,91 Euro unbrauchbar geworden. Entsprechend dem von der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung empfohlenen Procedere und nach Rücksprache mit der Bezugsapotheke und den Herstellern seien die betroffenen Impfstoffe vernichtet worden. Deshalb habe sie Ersatz beschaffen müssen.
Mit sechs Verordnungen zulasten der RPD/Krankenkassen, jeweils ausgestellt am 31.03.2014, bezog die Klägerin anschließend Impfstoffe im Wert von 36.964,87 Euro als Sprechstundenbedarf. Diese Impfstoffe deckten sich in Art und Anzahl nicht in Gänze mit den von der Apotheke vernichteten Impfstoffdosen.
In Kenntnis des Geschehens forderten die Krankenkassen, vertreten durch die zu 2. beigeladene AOK Sachsen-Anhalt, die Klägerin auf, als Schadensersatz 24.394,91 Euro auf das Konto der RPD zu zahlen. Mit Schreiben vom 02.05.2014 führten sie zur Begründung aus, die Klägerin habe entschieden, eine größere Anzahl von Impfstoffen in der Praxis zu bevorraten. Deshalb treffe die Ärzte auch eine erhöhte Verantwortung, die Impfstoffe, die bis zur Verwendung noch Eigentum der Krankenkassen seien, sorgfältig zu lagern. Die Klägerin hafte gemäß § 280 BGB für Schäden, die in ihrer Betriebsstätte am Eigentum der Krankenkassen entstanden seien, es sei denn, der Schaden sei durch höhere Gewalt eingetreten. Für diese Haftungsfälle habe die Klägerin gemäß § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt eine entsprechende Haftpflichtversicherung abzuschließen. Überdies enthalte weder die Impfvereinbarung noch die Sprechstundenbedarfsvereinbarung eine Regelung, die es erlaube, für beschädigten oder vernichteten Sprechstundenbedarf zulasten der Krankenkassen Ersatz zu beschaffen. Vielmehr sehe § 2 Absatz 13 der Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-V) vor, dass Sprechstundenbedarf ausnahmslos nachträglich als Ersatz der vorgehaltenen und verbrauchten Mengen zu verordnen sei. Ein Ersatz von Sprechstundenbedarf, der nicht im Rahmen der ärztlichen Behandlung verbraucht worden sei, sei ausgeschlossen.
Dem trat die Klägerin mit Schreiben vom 13.05.2014 entgegen und erwiderte, zwar sei es richtig, dass die Impfstoffe bis zu ihrer Verwendung noch im Eigentum der Krankenkassen stünden und di...