Entscheidungsstichwort (Thema)
Hemmung der Antragsfrist nach § 99 Abs 1 S 1 SGB 6 bei Geschäftsunfähigen. Beantragung einer Altersrente innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Vertretungsmangels
Orientierungssatz
1. In entsprechender Anwendung des § 210 Abs 1 S 1 BGB kann bei der an sich nach § 99 Abs 1 S 1 SGB 6 geltenden Frist bei Geschäftsunfähigen eine Hemmung der Frist angenommen werden. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Betreuung dem Betreuer bekannt gegeben wurde.
2. Dann ist eine Rente jedoch innerhalb von drei Monaten ab Beendigung des Vertretungsmangels zu beantragen (vgl BSG vom 27.1.2010 - B 12 KR 20/08 R = BSGE 105, 219 = SozR 4-2500 § 5 Nr 11 und LSG Darmstadt vom 28.3.2008 - L 5 R 22/06 KN = juris RdNr 21).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist ein früherer Beginn einer Regelaltersrente.
Die Beklagte teilte der 1946 geborenen Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2011 mit, dass sie ab dem 01.06.2011 die Regelaltersrente erhalten könne.
Mit Beschluss vom 30.10.2012 (Bl. 61 der Verwaltungsakte (VA)) ordnete das Amtsgericht Idar-Oberstein (90 XVII 180/11) die umfassende Betreuung der Klägerin mit Einwilligungsvorbehalt durch den allein vertretungsberechtigten Rechtsanwalt … an, da die Klägerin an einer induzierten wahnhaften Störung (“Folie a deux„) leide, wobei es auf sich ein Gutachten des Psychiaters Dr. … 15.10.2012, einen Bericht der Kreisverwaltung … und einer Stellungnahme der Kriminalpolizei … berief. Der Beschluss ist dem Betreuer am 05.11.2012 zugestellt worden, der Betreuerausweis ist am 31.10.2012 ausgestellt worden (Bl. 34 VA). Bereits in Stellungnahmen vom 16.07.2011 und 29.02.2012 (Bl. 21 f. und 23 f. VA) hatte Dr. … den dringenden Verdacht auf eine induzierte wahnhafte Störung geäußert.
Die Klägerin bezog eine Witwenrente zu diesem Zeitpunkt i.H.v.640,96 €. Dem Betreuer der Klägerin war der Bezug der Witwenrente sowie die Art der Rente seit November 2012 bekannt. Er wandte sich erfolglos mit Schreiben vom 06.11. und 26.11.2012 sowie 05.02.2013 an die Klägerin.
Am 22.02.2013 versuchte der Betreuer nach einer Mitteilung des Rechtspflegers die Klägerin aufzusuchen, konnte diese jedoch nicht erreichen. Auch in den Folgetagen scheiterte eine Kontaktaufnahme (vgl. Bl. 9 der Gerichtsakte (GA)).
Am 28.01.2014 beantragte der Betreuer die Regelaltersrente für die Klägerin und begehrte den Beginn der Rente ab 01.06.2011, da die Klägerin geschäftsunfähig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 11.03.2014 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.01.2014 die Regelaltersrente. Die Rente werde ab dem Monat der Antragstellung geleistet, da der Antrag erst nach Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien.
Die Klägerin legte hinsichtlich des Rentenbeginns Widerspruch ein. Der beschriebene gesundheitliche Zustand sei seit 2010 bekannt gewesen, so dass sie auch auf das Schreiben vom 10.05.2011 nicht habe reagieren können. Der Betreuer habe jetzt erst die Gelegenheit gehabt mit ihr über den Rentenantrag zu sprechen, sodass nach Kenntnis von der Möglichkeit der Rentenbeantragung umgehend der Termin beim Rentenberater vereinbart worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, § 99 Abs. Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) regele den Rentenbeginn für Altersrenten. Eine Versichertenrente werde gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI vom Ersten des Monats an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die jeweilige Rente erfüllt seien. Da für einen Rentenanspruch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein müssten, sei für die Ermittlung des Rentenbeginn der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die letzte Voraussetzung vorliege. Damit eine Versichertenrente vom frühestmöglich Zeitpunkt an geleistet werden könne, müsse der Antrag innerhalb von drei Kalendermonaten nach Ablauf des Monats gestellt werden, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, § 99 Abs. 1S. 1, 2. HS SGB VI. Bei der Betreuung von Geschäftsunfähigen sei bei einer verspäteten Antragstellung zu prüfen, ob in Anwendung des § 210 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine abweichende Antragsfrist zu beachten sei. Seien Versicherte innerhalb der nach § 99 Abs. 1 SGB VI ermittelten Antragsfrist geschäftsunfähig, ende die Antragsfrist frühestens drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem durch Beschluss ein Betreuer als gesetzlicher Vertreter für Angelegenheiten, die die Rentenversicherung mit erfassen, bestellt worden sei. Maßgebend sei der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses an den Betreuer. Der Beschluss über die Betreuung sei dem Betreuer am 05.11.2012 bekannt gegeben worden. Die Antragsfrist habe daher am 28.02.2013 geendet. Da die Rente jedoch erst am 28.01.2014 beantragt worden sei, könne die Rente erst mit Beginn des Antragsmonats bewilligt werden.
Hiergegen richtet sich die am 20.06.2014 bei...