Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Bewilligung von Krankengeld als (konkludenter) Dauerverwaltungsakt bei Auszahlung. Unzulässigkeit einer befristeten Gewährung. keine schriftliche Dokumentation der ärztlichen Feststellung und ihres Zeitpunktes
Leitsatz (amtlich)
1. In Fällen, in denen die Krankenkasse keine förmliche Verwaltungsentscheidung erlassen hat, kommt in der für den Versicherten erkennbaren Auszahlung von Krankengeld zugleich auch dessen Bewilligung durch Verwaltungsakt zum Ausdruck.
2. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass mit der Auszahlung eines Krankengeldbetrages ohne vorherige förmliche Bescheidung eine unbefristete Bewilligung von Krankengeld bekanntgegeben wird, weil diese bei Fortbestehen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen regelmäßig die einzige rechtmäßige Entscheidungsmöglichkeit der Krankenkasse darstellt.
3. Derartige Krankengeldauszahlungen sind entgegen der vom BSG seit dem Urteil vom 16.9.1986 - 3 RK 37/85 = SozR 2200 § 182 Nr 103) vertretenen Auffassung regelmäßig nicht als befristete oder "abschnittsweise" Bewilligungsentscheidungen auszulegen (Anschluss an SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15 - Rn 37 ff; Fortführung von SG Mainz vom 21.3.2016 - S 3 KR 255/14 - Rn 66 ff). Die Befristung der Krankengeldbewilligung iS des § 32 Abs 2 Nr 1 SGB X bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft ist regelmäßig rechtswidrig (Anschluss an SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 160/15 - Rn 44 ff; entgegen BSG vom 16.9.1986 - 3 RK 37/85 - Rn 16 ff aaO). Bewilligt die Krankenkasse Krankengeld für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit, obwohl die Anspruchsvoraussetzungen über den Endzeitpunkt hinaus vorliegen, handelt sie ebenfalls rechtswidrig.
4. Für die Entstehung eines Krankengeldanspruchs muss die ärztliche Feststellung und ihr Zeitpunkt nicht schriftlich oder auf andere Weise dokumentiert werden. Die ärztliche Feststellung ist nicht mit der hierüber ausgestellten Bescheinigung, etwa der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder dem Auszahlschein gleichzusetzen. Ob ein Arzt Arbeitsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt hat, kann erforderlichenfalls auch noch im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung durch eine Befragung des Arztes ermittelt werden (Anschluss an SG Speyer vom 22.05.2015 - S 19 KR 959/13 - Rn 39 = NZS 2015, 666-667; entgegen LSG Mainz vom 21.04.2016 - L 5 KR 217/15 - Rn 14; LSG Mainz vom 2.5.2016 - L 5 KR 64/16 B ER - nicht veröffentlicht - und LSG Mainz vom 16.10.2014 - L 5 KR 157/14 - Rn. 16).
5. Für die Aufrechterhaltung des materiellen Krankengeldanspruchs bis zum Ende der Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs 1 SGB V) oder bis zum Ausschluss (§ 50 Abs 1 S 1 SGB V) bzw Wegfall (§ 51 Abs 3 S 1 SGB V) des Anspruchs genügt es im Übrigen auch in den Fällen des § 46 S 1 Nr 2 SGB V (alte oder neue Fassung), dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich seit Entstehung des Anspruchs fortbesteht. Wenn auf dem Formular, auf dem die ärztliche Feststellung dokumentiert ist, zugleich eine Prognose für ein voraussichtliches Ende der Arbeitsunfähigkeit getroffen wird, folgt hieraus keine zeitliche Begrenzung des Krankengeldanspruchs (Anschluss an SG Trier vom 24.4.2013 - S 5 KR 77/12 - Rn 21 ff = NZS 2013, 738; SG Mainz vom 24.9.2013 - S 17 KR 247/12 - Rn 32 ff, SG Speyer vom 22.11.2013 - S 19 KR 600/11 - Rn 39 ff und vom 7.4.2014 - S 19 KR 10/13 - Rn 43 ff; SG Mainz vom 4.6.2014 - S 3 KR 298/12 - Rn 48 ff = NZS 2014, 827; LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 146/14 - Rn 22 ff, L 16 KR 429/13 - Rn 26 ff, L 16 KR 160/13 - Rn 25 ff, L 16 KR 208/13 - Rn 24 ff; SG Speyer vom 8.9.2014 - S 19 KR 519/14 ER - Rn 31 ff = NZS 2014, 944 und vom 3.3.2015 - S 19 KR 10/15 ER - Rn 33 ff = NZS 2015, 463; SG Speyer vom 22.5.2015 - S 19 KR 959/13 - Rn 41 ff; SG Mainz vom 31.8.2015 - S 3 KR 405/13 - Rn 61 ff; SG Speyer vom 30.11.2015 - S 19 KR 409/14 - Rn 56 ff; SG Mainz vom 21.3.2016 - S 3 KR 255/14 - Rn 88 ff; so auch Knispel, NZS 2014, S 561 ff und Schröder, ASR 2015, S 160 f ; entgegen BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R, B 1 KR 35/14 R, B 1 KR 37/14 R = BSGE 118, 52-63 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7; entgegen LSG Mainz vom 16.10.2014 - L 5 KR 157/14 - Rn 15, vom 21.4.2016 - L 5 KR 217/15 - Rn 13 - und vom 4.2.2016 - L 5 KR 65/15 - Rn 21).
Tenor
1. Der Bescheid vom 19.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 14.03.2015 bis zum 22.06.2015 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 14.03.2015 bis zum 22.06.2015.
Der 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war seit dem 01.11.2011 als Hausmeister beim DRK-Kreisverband B K sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zum 31.12.2014 endete das Arbeitsverhältnis auf Grund eines Aufhebungsvertrages wegen anhaltender Arbeitsunfähigkei...