Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Dauer der Leistung. Durchsetzbarkeit einer Eingliederungshilfe gegen den Willen des Betroffenen. einstweiliger Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Leistungen iS der §§ 67ff SGB 12 sind nicht an starre Maximalzeiträume gebunden, sondern sind an individuellen Bedürfnissen auszurichten.
2. Eine stationäre Eingliederungsmaßnahme iS der §§ 53ff SGB 12 gegen den Willen des Betroffenen kommt nicht in Betracht, wenn weder eine Eigen- noch eine Fremdgefährdung erkennbar ist und der Betroffene der stationären Hilfe ablehnend gegenüber steht.
3. Eilbedürftigkeit iS des § 86b Abs 2 S 2 SGG ist auch dann gegeben, wenn der Abschluss eines noch nicht anhängigen Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann, ohne dass die Erfolgsaussichten der begonnenen Maßnahme entscheidend minimiert würden, wenn der Hilfebedürftige nicht nahtlos daran teilnehmen könnte.
Gründe
Der Antrag ist zulässig und überwiegend begründet. Die Antragsgegnerin (Ag.) hat dem Antragsteller (Ast.) vorläufig auch für die Zeit ab 01. Dezember 2006, längstens jedoch bis 31 März 2007, Leistungen im stationären Wiedereingliederungsbereich des W..zu gewähren.
Die Ag. hat in ihren Antragserwiderungen den Sachverhalt korrekt dargestellt und die maßgeblichen Rechtsvorschriften umfassend wiedergegeben, so dass die Kammer von einer Darstellung der Entscheidungsgründe in analoger Anwendung des § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) teilweise hat absehen können.
Ergänzend hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Der erforderliche Anordnungsanspruch besteht, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch einem Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zusteht, wobei die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches glaubhaft zu machen sind (s. hierzu § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordung). Daneben ist ein Anordnungsgrund zu fordern. Insoweit ist auf die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz zu verweisen, wonach mit dem Eilverfahren die Verletzung von Rechten eines Antragstellers während des Interimszeitraums bis zur Entscheidung der Hauptsache vermieden werden soll. Angesichts dessen ist ein wesentlicher Nachteil i. S. des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu bejahen, wenn bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eine erhebliche, d.h. über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten oder sonstigen Rechten oder die Gefahr des Verlustes des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Rechts droht.
Ausgehend hiervon muss zunächst auf die am 20. Januar 2006 bestehende Situation - damals begann die stationäre Maßnahme im W. - hingewiesen werden: Der im Januar 1970 geborene Ast. lebte nach dem Abbruch mehrerer Studiengänge auf der Straße. Sein Leben war von Antriebslosigkeit, fehlenden sozialen und zwischenmenschlichen Bindungen und Verwahrlosung gekennzeichnet. Drogen- und exzessiver Alkoholkonsum hatten zu aggressivem Verhalten, Angstzuständen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen i. S. einer paranoiden Schizophrenie geführt, ohne dass mehrere Entzugsbehandlungen im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden, Wiesloch, erkennbare Veränderungen erbracht hätten.
Dem ist die aktuelle Sachlage gegenüberzustellen: Auf der einen Seite ist zwar zu konstatieren, dass der Ast. derzeit an keiner tagesstrukturierenden Maßnahme teilnimmt und es bisher nicht gelungen ist, ihn in eine Außenwohngemeinschaft mit weitgehender Selbstversorgung zu integrieren. Hinzu kommt, dass nach wie vor erhebliche Beeinträchtigungen im Bereich “lebenspraktische Fähigkeiten„ festzustellen sind. Der Ast. ist momentan nicht in der Lage, ein selbstständiges Leben zu bestehen, wobei seine Selbsteinschätzung - was auch der am 20. Dezember 2006 stattgefundene Beweisaufnahmetermin gezeigt hat - unrealistisch ist. Zudem ist von einem anhaltenden Alkoholmissbrauch und einer fehlenden Krankheitseinsicht auszugehen. Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass der Ast. nicht mehr unkontrolliert Alkohol trinkt und ein fortgesetzter Drogenmissbrauch nicht objektivierbar ist mit der Konsequenz, dass es im W. zu keinen Aggressivitätsausbrüchen oder paranoiden Verhaltensweisen gekommen ist. Vielmehr hat der Ast. nach anfänglichen Schwierigkeiten gelernt, Vertrauen aufzubauen, Kontakte zu knüpfen und soziale Bindungen einzugehen. Damit ist er aus seiner ursprünglichen Isolation ausgebrochen, wobei er zwischenzeit...