Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.08.2018; Aktenzeichen B 11 AL 25/18 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Maßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ... .

Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer schweren körperlichen Behinderung (Cerebralparese mit erheblicher Funktionsstörung der Arme und Beine, erheblichen Muskelverkrampfungen, Funktionsstörung der Augen und Sprachstörung). Er ist auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht leistungsfähig.

Er beantragte bei der Beklagten eine Maßnahme zur Förderung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für das Eingangsverfahren und den Berufsausbildungsbereich der WfbM … .

Dr…., Ärztlicher Dienst der Bundesagentur für Arbeit, stellte im Gutachten vom 2. Dezember 2015 fest, der Kläger sei wegen seiner wesentlichen dauerhaften körperlichen Einschränkungen auf einen Rollstuhl und eine umfassende Betreuung angewiesen. Es sei eine Maßnahme in einer WfbM zu empfehlen, wobei ein Fahrdienst erforderlich sei.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, für den Kläger sei eine Maßnahme in der WfbM der Gemeindediakonie … möglich und zumutbar. Diese Einrichtung könne er durch tägliches Pendeln mit dem werkstatteigenen Fahrdienst erreichen.

Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, bei seinem Praktikum in der Diakonie … sei er überfordert gewesen, da er motorisch nicht in der Lage gewesen sei, die ihm gestellten Aufgaben zu bewältigen. Er benötige eine spezielle Einrichtung für Körperbehinderte, in der man seinen motorischen Dysfunktionen gerecht werden könne. Da es im Umkreis keine solche Einrichtung gäbe, sei eine Werkstatt mit Wohnunterbringung zwangsläufig notwendig. Die von der Beklagten vorgeschlagene WfbM werde zum großen Teil von Menschen mit geistiger Behinderung besucht, die motorisch zu den ihnen gestellten Aufgaben in der Lage seien (z.B. zur Montage von kleinen Teilen, Bedienung von Geräten mit zwei Händen, Umgang mit Scheren, etc.). Für ihn bestünden dort keine Fördermöglichkeiten. Außerdem könne er die Räumlichkeiten nur über eine Lastenaufzug erreichen, den er selbst nicht bedienen könne und dürfe, was für ihn nicht zumutbar sei. Ähnliches gelte für die weiteren Werkstätten in der Umgebung, während es in Deutschland auch Werkstätten speziell für Menschen mit Körperbehinderungen gebe, z.B. die ... in … mit einer sehr großen Spezialwerkstatt und einer großen Anzahl von EDV-Arbeitsplätzen für Menschen mit einer Körperbehinderung. Außerdem biete sie eine umfangreiche therapeutische und medizinische Versorgung an. Es sei ihm darüber hinaus wichtig, mit Menschen zusammenarbeiten, die ein ähnliches oder besseres kognitives Niveau hätten, um passende soziale Kontakte knüpfen zu können, was in einer Werkstatt mit überwiegend geistig behinderten Menschen nicht der Fall sei. Der Kläger legte eine Auswertung über ein im März 2016 durchgeführtes erfolgreiches einwöchiges Betriebspraktikum im Bereich Datenservice der ... vor. Außerdem legte er ein Schreiben der Caritaswerkstatt … vor, wonach er die dort anfallenden Tätigkeiten nur mit Hilfestellung verrichten könne und er Hilfe bei den Mahlzeiten und Toilettengängen benötige. Eine solche engmaschige Betreuung könne nicht gewährleistet werden. In einer Stellungnahme vom 9. Juni 2016 führte die damalige Klassenlehrerin des Klägers unter anderem aus, der Kläger werde die Schule im Sommer 2016 verlassen. Bei der vom Kläger angestrebten Maßnahme in der ... könne er sich gut weiterentwickeln.

Die Beklagte holte eine weitere gutachterliche Stellungnahme von Dr. … vom 31. März 2016 ein, in der dieser ausführte, eine Werkstatt für geistig behinderte Menschen werde nicht empfohlen, jedoch sei eine Werkstatt speziell für Menschen mit einer Körperbehinderung nicht erforderlich. Ein behindertengerechter Arbeitsplatz müsse aber vorhanden sein bzw. eingerichtet werden.

Im Widerspruchsverfahren bot die Beklagte dem Kläger (mit Schreiben vom 27. Juli 2016) eine Kostenbeteiligung an einer Maßnahme in der … im Rahmen eines persönlichen Budgets (nach § 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) in Höhe der Kosten, die bei einer Maßnahme in der Diakoniewerkstatt … entstehen würden (€ 1.823,52 monatlich einschließlich Fahrtkosten). Diesen Vorschlag lehnte der Kläger ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Kostenerstattung für eine Teilnahme an der WfbM in der … bis zu einer Obergrenze von € 1.823,52. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Aufnahme in eine regionale WfbM sei möglich und zumutbar. Eine Werkstatt ausschließlich für körperbehinderte Menschen sei nicht erforderlich. Es gebe keine “geeigneten„ WfbM, sondern nur “anerkannte„ WfbM. Die dortige Aufnahme von behinderten Menschen erfolge unabhängig von der Ursache, der Art un...

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