Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. Unverzüglichkeit. Obliegenheitsverletzung. Verschulden. subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Unkenntnis
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob ein schuldhafter Verstoß gegen die Obliegenheit aus § 37b SGB 3 vorliegt, gilt ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Ein Verschulden ist daher ausgeschlossen, wenn der Arbeitslose seine Obliegenheit nicht kennt und ihm dies auch nicht angelastet werden kann.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom 07.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2004 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Minderung zu gewähren.
2. Die Berufung wird zugelassen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, das Arbeitslosengeld des 40jährigen Klägers wegen einer verspäteten Meldung zu mindern.
Der aus Sri Lanka stammende Kläger war vom 01.10.2001 bis zum 30.11.2003 als Küchenhilfe bei dem Restaurant C (H) beschäftigt. In Zusammenhang mit einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Arbeitskollegen ist das Arbeitsverhältnis des Klägers durch eine Kündigung vom 09.11.2003 fristlos beendet worden. Wegen noch bestehender Urlaubsansprüche ist der Kläger bis zum 30.11.2003 von der Arbeitsleistung freigestellt worden.
Erst am 01.12.2003 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.
Mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 11.12.2003 ordnete die Beklagte zu Lasten des Klägers eine 12wöchige Sperrzeit vom 16.11.2003 bis zum 07.02.2004 an.
Mit einem Schreiben vom 11.12.2003, dessen Zugang beim Kläger nicht festgestellt werden kann, teilte die Beklagte mit, der Kläger hätte sich nach Ablauf einer 7tägigen Reaktionszeit spätestens am 16.11.2003 arbeitssuchend melden müssen. Diese Frist habe er um 15 Tage überschritten, so dass sich sein Arbeitslosengeld um insgesamt 105,-- Euro minderte (15 Tage zu jeweils 7,-- Euro).
Mit dem Bescheid vom 07.01.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann ab dem 08.02.2004 Arbeitslosengeld. Das wöchentliche Bruttobemessungsentgelt betrug 220,-- Euro. Zugleich wurde die Minderung des Arbeitslosengeldes um 105,-- Euro verfügt.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.02.2004 Widerspruch und trug vor, er habe das Schreiben vom 11.12.2003 nicht erhalten. Er habe gedacht, er müsste sich erst nach Ablauf der abgegoltenen Urlaubstage melden. Die Gesetzesänderung im Juli 2003 sei ihm nicht bekannt gewesen.
In dem abweisenden Widerspruchsbescheid vom 03.03.2004 bekräftige die Beklagte ihre Auffassung.
Am 24.03.2004 hat die Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht erhoben und trägt vor, der Kläger habe nach Erhalt der fristlosen Kündigung am 09.11.2003 bis zum 30.11.2003 noch seinen Resturlaub in Anspruch genommen. Die Gesetzesänderung sei ihm nicht bekannt gewesen.
Somit beantragt sie,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2004 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Minderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2004 (L 3 AL 1267/04), in dem die Rechtsauffassung vertreten wird, dass im hier streitigen Zusammenhang ein objektiver Sorgfaltsmaßstab maßgeblich ist und es nicht auf die Kenntnis des Arbeitslosen von der Gesetzesänderung ankommt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er ist daher aufzuheben (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden (§ 37 b Satz 1 Sozialgesetzbuch III - SGB III).
Hat sich der Arbeitslose entgegen dieser Vorschrift nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist (§ 140 Abs. 1 Satz 1 SGB III).
Die zitierten Vorschriften sind im Zuge der sogenannten Hartz-Gesetze am 01.07.2003 in Kraft getreten.
Zur Überzeugung des Gerichtes steht fest, dass der Kläger gegen seine Meldeobliegenheit nicht vorwerfbar verstoßen hat.
Hiervon kann nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen vorliegt. Dies folgt aus dem Wortlaut von § 37 b Satz 1 SGB III, der eine unverzügliche Meldung voraussetzt.
Der Begriff der Unverzüglichkeit ist nach der (all...