Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung. kein zwingender Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Aussetzung des Verfahrens. Prozessökonomie
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einer Zulassungsentziehung, weder im Sinne einer Vorgreiflichkeit noch im Sinne einer rechtlichen Bedeutung, der eine Aussetzung des Verfahrens gebietet.
2. Der Gesichtspunkt der Prozessökonomie ermöglicht keine Aussetzung des Verfahrens, jedenfalls wenn sich die Verwaltungsentscheidung ausschließlich auf die Einlassung des Klägers bezieht, weitere Ermittlungsoptionen nicht ersichtlich sind und es an einem substantiierten Vortrag fehlt, welche noch von staatsanwaltschaftlicher Seite zu ermittelnden Tatsachen von Bedeutung sein sollen.
Tenor
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 22.02.2016 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Aussetzung des Verfahrens im Rahmen eines Rechtsstreits über seine Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung aufgrund des ihm vorgeworfenen Abrechnungsbetrugs.
Der 1964 geb. und jetzt 51-jährige Kläger ist als Zahnarzt seit 01.04.1999 zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Unter Datum vom 20.07.2015 stellte die Beigeladene zu 1) beim Zulassungsausschuss für Zahnärzte den Antrag, dem Kläger die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu entziehen. Zur Begründung ihres Antrags wies sie auf eine beigefügte Strafanzeige ihres Vorstands wegen des Verdachts auf einen fortgesetzten Abrechnungsbetrug in einem besonders schweren Fall hin. Auslöser hierfür seien Aussagen des Zeugen und Zahnarztes Dr. C. und der Zeugin und ehemaligen Zahnarzthelferin D. sowie eine Mitteilung der IKK Süd-West gewesen. Im Anschluss von Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft habe der Kläger ihr gegenüber mit Schreiben vom 19.06.2015 eingeräumt, dass es zu einem Schaden in den Jahren 2014 und 2015 im Bereich des Zahnersatzes in Höhe von 469.592,96 € gekommen sei. In einer E-Mail an sie habe der Kläger ferner eingeräumt, dass es auch im Bereich der konservierenden-chirurgischen Leistungen/Begleitleistungen, KB und PAR zu Schäden gekommen sei, im Bereich KB zu einem Schaden in Höhe von 47.711,37 € und im Bereich PAR von 104.685,25 €.
Der Zulassungsausschuss lud den Kläger zu einer mündlichen Verhandlung am 02.09.2015, an der der Kläger nicht teilnahm.
Der Zulassungsausschuss entzog dem Kläger mit Beschluss vom 02.09.2015 die Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung gem. § 27 Satz 2 Ärzte-ZV in Verbindung mit § 95 Abs. 6 SGB V.
Hiergegen legte der Kläger am 12.10.2015 Widerspruch ein. Er trug vor, leider habe er durch einen internen Postverwaltungsfehler die Anhörung versäumt. Er habe die Abrechnung nach 15 anstandslosen Jahren durch plötzlich starkes Wachstum sowohl intern als auch extern an Dritte vergeben. Er habe nach Inbetriebnahme der Abrechnungssoftware Z1 die Eigenlaborabrechnung gewählt, da dort die Fremdlaborabrechnung mit XML-Datei sehr kompliziert sei. Er sei seinerzeit davon ausgegangen, dass wegen der niedrigeren Preise des Eigenlabors kein Verstoß gegen die peinlich genaue Abrechnung bestehe. Er habe sich nicht selbst bereichert. Das ganze Geld habe er in die neue Praxisausstattung gesteckt. Er wohne in einer 640 € teuren Mietwohnung und fahre nicht einmal ein Auto. Er sei seit 16 Jahren nicht in Urlaub gewesen und lebe bescheiden und zurückgezogen. Durch die Einführung der Abrechnungssoftware Z1 und das rasante Wachstum habe er seine neuen Mitarbeiter und eine externe Dienstleisterin auf Basis von Computereintragungen beauftragt, Pläne abzurechnen, die aufgrund von telefonischen Zusagen der Krankenkassen gemacht worden seien. Er habe die Kontrolle über die Abrechnung verloren und nicht mehr gewusst, was abgerechnet werden könne und was nicht. Durch einen Bedienungsfehler, der an der Menüauswahl des Programms liege, sei die Abrechnung ausgelöst worden. Dieser Fehler sei bisher nicht behoben worden, er korrigiere ihn aber mittlerweile fast täglich. Er habe inzwischen sämtliche interne und externe Abrechnungskräfte aus der Praxis entfernt und rechne selbst ab. Es habe keine Absicht oder Systematik der bewussten Falschabrechnung vorgelegen. Er widerspreche einem Vorwurf des Abrechnungsbetrugs in einem besonders schweren Fall, räume aber Fahrlässigkeit ein. Den Abrechnungsschaden von ursprünglich 621.000 € habe er inzwischen auf 190.000 € reduziert. Dies belege seine Wiedergutmachungsabsicht und die Wiederherstellungsabsicht des Vertrauens. Er bitte um eine mildere Maßnahme. Die Entziehung bedeute für ihn einen Härtefall und sei mit der Aufgabe der Praxis verbunden.
Der Beklagte lud den Kläger zu einer mündlichen Verhandlung am 13.11.2016, an der der Kläger teilnahm.
Der Beklagte wies mit Beschluss vom 13.11.2016, ausgefertigt am 24.11. und dem Kläger am 25.11.2015 zugestellt, den Widerspruc...