Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Hessen. vom Beschwerdeausschuss festgestellter, aber noch nicht bestandskräftiger Verordnungsregress. Aufrechnung mit Honoraranspruch auch nach Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung. Aufrechnung mit Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kassenärztliche Vereinigung kann mit vom Beschwerdeausschuss festgestellten, aber wegen vor dem Sozialgericht erhobenen Klagen noch nicht bestandskräftigen Verordnungsregressen auch nach Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung mit einem Honoraranspruch des Arztes aufrechnen.
2. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen kann Verordnungsregresse mit dem Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung aufrechnen.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 17.07.2020 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die notwendigen Verfahrenskosten für das einstweilige Anordnungsverfahren zu tragen.
3. Der Streitwert für das einstweilige Anordnungsverfahren wird auf 5.350,32 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufrechnung seiner Bezüge aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) mit Regressforderungen aufgrund einer Heilmittel-Richtgrößenprüfung 2014 und einer Arzneimittelkostenprüfung im Umfang von insgesamt 16.744,51 €.
Der Antragsteller war als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung seit 01.02.1992 bis 31.12.2017 mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Seit 01.07.2016 nimmt er an der EHV der Beklagten teil. Er erhält monatlich 2.541,50 € aus der EHV, aktuell 2.551,77 € brutto bzw. 2.480,32 € netto. Ferner erhält er von der Berliner Ärzteversorgung seit 01.07.2016 monatlich 1.523,12 €.
Der Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen wies mit Beschluss vom 16.08.2017 den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen vom 14.12.2016 im Rahmen der Heilmittel-Richtgrößenprüfung 2014 wegen der Überschreitung des zugestandenen Richtgrößen-Volumens für die Heilmittelverordnungen im Jahre 2014 in Höhe von 10.573,45 € (netto) zurück. Die hiergegen am 13.02.2018 eingelegte Klage ist bei dem SG Marburg unter dem Az.: S 17 KA 10/18 anhängig. Der Beschwerdeausschuss wies mit Beschluss vom 11.09.2019 den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 07.12.2017, in dem auf Antrag der BKK Herkules ein Arzneimittelkostenregress für Verordnungen im Einzelfall, nämlich für die Verordnungen von Fentanyl Pflastern für die Quartale I/14 bis II/15 und II/16 bis IV/16 in Höhe von 6.171,06 € festgesetzt worden war, zurück. Die hiergegen am 20.12.2019 eingelegte Klage ist beim SG Marburg unter dem Az.: S 17 KA 415/19 anhängig.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 06.03.2020 mit, nachdem ihr die Prüfungsstelle den Bescheid (gemeint ist der Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 11.09.2019) weitergeleitet habe, werde sie das Honorarkonto im 4. Quartal 2019 mit 6.171,06 € belasten. Da das ehemalige Honorarkonto kein Guthaben ausweise, bitte sie um Überweisung bis zum 23.03.2020. Der Antragsteller wies mit Schreiben vom 18.03.2020 darauf hin, dass grundsätzlich eine Aufrechnung der Antragsgegnerin bei Vertragsärzten, welche aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeschieden wären, nicht durch die Antragsgegnerin möglich wäre. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 05.05.2020 mit, nach der erfolglosen Zahlungsaufforderung gegenüber dem Antragsteller betreffend das überzahlte Honorarkonto werde sie den Überzahlungsbetrag mit den monatlichen EHV-Zahlungen verrechnen. Dies erfolge auf der Grundlage des § 30 der Prüfvereinbarung i.V.m. § 52 BMV-Ä. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 07.05.2020 mit, sie habe das ehemaliges Honorarkonto mit dem Betrag von 16.744,51 € belastet. Sie bitten um Überweisung bis zum 15.05.2020, andernfalls werde sie den Betrag mit dem Honorarkonto EHV 424121408 verrechnen. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter Datum vom 05.06.2020 mit, dass eine Tilgungsvereinbarung für Arzneimittel-, Heilmittel und Sprechstundenbedarfsregresse nicht möglich sei. Sie werde jedoch stattdessen eine Aufrechnung mit dem EHV-Konto vornehmen. Damit der gesamte Betrag der Überzahlung des ehemaligen Honorarkontos in Höhe von 16.050,96 € (Regress in Höhe 6.171,06 €, Arzneimittel I/14-II/15, gebucht am 02.03.2020 in IV/19, und Regress in Höhe von 10.573,45 €, Richtgröße Heilmittel I/14-IV/14, gebucht am 14.01.2019 in IV/18, sowie Gutschrift in Höhe von 693,55 € für die Neuberechnung des Honorarbescheids I/17) ausgeglichen werde, würden ab Juli 2020 bis Dezember 2020 die volle EHV-Zahlung in Höhe von 2.541,50 (getilgt dann: 15.249,60 €) sowie der dann noch ausstehenden Betrag in Höhe von 801,36 € von der Januar 2021-Zahlung einbehalten werden.
Der Antragsteller hat am 17.07.2020 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Er trägt vor, die Antrag...