Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Nachfolgezulassung. Schutz des Verwertungsinteresses. Praxisnachfolger auch Käufer der Vertragsarztpraxis. einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nicht der Wille des ausscheidenden und die Praxis abgebenden Vertragsarztes, wer Praxisnachfolger werden soll, ist geschützt, sondern ausschließlich sein Verwertungsinteresse.

2. Die Praxisnachfolge nach § 103 Abs 4 SGB 5 setzt voraus, dass der Praxisnachfolger, nicht ein Dritter, auch Käufer der Praxis ist.

 

Orientierungssatz

Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung in einem Rechtsstreit über die Praxisnachfolge iS des § 103 Abs 4 SGB 5.

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 26.10.2011 wird abgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 9) zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 37.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Praxisnachfolge des Antragstellers in die Praxis des Beigeladenen zu 10).

Der 1969 geborene Antragsteller ist seit März 1999 approbierter Arzt und seit März 2003 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, im Januar 2008 erlangte er die Schwerpunktbezeichnung “Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin„. Seit Mai 2008 ist er berechtigt, die Zusatzbezeichnung Akupunktur zu führen. Nach seinen Angaben ist er seit 01.04.2008 privatärztlich tätig im D-zentrum Mittelhessen in D-Stadt und offizieller Vertreter des dortigen Leiters der IVF-Arbeitsgruppe.

Der Antragsteller bewarb sich am 28.01.2011 auf die Ausschreibung der Praxis des Beigeladenen zu 10) im Hessischen Ärzteblatt xx/2010. Der Beigeladene zu 10) gab gegenüber dem Zulassungsausschuss unter Datum vom 26.01.2011 bekannt, dass er seine vertragsärztliche Tätigkeit voraussichtlich zum 31.03.2011 beenden werde. Er bitte, den Vertragsarztsitz auf den Antragsteller als seinen Nachfolger zu übertragen.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ließ mit Beschluss vom 22.03.2011, ausgefertigt am 02.05.2011, den Antragsteller zur Übernahme des gem. § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes in D-Stadt, zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit Wirkung zum 01.04.2011 zu. Den Antrag der Beigeladenen zu 9) lehnte er ab. Zur Begründung führte er aus, die Beigeladene zu 9) sei seit 01.11.2002 im Besitz der Approbation. Die Anerkennung als Frauenärztin habe sie am 07.03.2008 erhalten. Seit Januar 2003 sei sie als Ärztin in der Frauenklinik der Klinik in D-Stadt beschäftigt. Diese Tätigkeit habe sie von Juni 2005 bis Juli 2006 unterbrochen. Von März 2005 bis April 2006 sei sie als Ärztin am Krankenhaus ZR. angestellt gewesen. Von Mai 2006 bis Juli 2006 habe sie als Ärztin am Krankenhaus in U-Stadt gearbeitet. Seit Juli 2009 sei sie zusätzlich als angestellte Fachärztin einer Frauenarztpraxis in D-Stadt tätig. Sie sei nicht in die Warteliste eingetragen. Der Antragsteller habe nach der Approbation bis 31.08.1999 als Assistenzarzt der Frauenklinik, Krankenhaus, in K. gearbeitet. Vom 01.01.1999 bis 30.11.2004 sei er als Assistenzarzt/Facharzt am Bürgerhospital der Y., Frauenklinik, C-Stadt, angestellt gewesen. An der Frauenklinik des Z-Krankenhauses, C-Stadt, sei er als Facharzt vom 06.06.2005 bis 31.03.2008 beschäftigt gewesen. Seit 01.04.2008 sei er als offizieller Vertreter des Leiters der IVF-Arbeitsgruppe am D-zentrum Mittelhessen, D-Stadt, tätig. Er sei nicht in die Warteliste eingetragen. Nachdem der Antragsteller und die Beigeladene zu 9) über die erforderliche Facharztanerkennung verfügten und Gründe für ihre Nichteignung nicht geltend gemacht würden, gehe er davon aus, dass die berufliche Eignung beider Bewerber uneingeschränkt zu bejahen sei. Das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit seien zu Gunsten des Antragstellers zu werten. Dieser verfüge auch über die ältere Facharztanerkennung und könne somit die längere Berufstätigkeit als Frauenarzt geltend machen. Die Gesamtbewertung der beruflichen Qualifikation lasse aufgrund der aufgeführten Fakten einen deutlichen Vorsprung des Antragstellers erkennen. Die gesetzliche Vorgabe regle die berücksichtigungsfähigen Tatsachen nicht abschließend. Sonstige rechtliche relevante Aspekte könnten bei der Auswahl der Bewerber gewertet werden. Auch der Wille des ausscheidenden Vertragsarztes bzw. seiner Erben sei eine zu berücksichtigende Tatsache, wenn die Praxis ausschließlich einem bestimmten Bewerber übertragen werden solle. Der abgebende Arzt könne nämlich auch im Falle einer Entscheidung der Zulassungsinstanzen nicht gezwungen werden, die Praxis an einen bestimmten Bewerber zu übergeben. Dies ergebe sich daraus, dass eine Regelung dahin fehle, dass aus der öffentlich-rechtlichen Entscheidung der Zulassungsgremien ein Rechtsanspruch auf einen Abschluss der zivilrechtlich erforderlichen Übertragungsgeschä...

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