Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Umfang der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Hilfebedürftigen vor Beginn des Leistungszeitraums. Zulässigkeit von Schwärzungen in Kontoauszügen zur Vorlage beim Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
1. Ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung im Alter ist bereits bei Antragstellung und damit vor Beginn des Leistungsbezugs gegenüber dem Grundsicherungsträger zur Auskunft und Mitwirkung in Bezug auf alle Angaben und Informationen verpflichtet, die zur Ermittlung des Leistungsanspruchs erforderlich sind.
2. Ist zur Ermittlung eines Hilfebedarfs die Vorlage von Kontoauszügen durch den Hilfeempfänger erforderlich, so ist eine Schwärzung nur für solche in den Auszügen enthaltenen Angaben zulässig, deren Kenntnis durch den Grundsicherungsträger nicht zur Ermittlung des Hilfebedarfs erforderlich ist.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Anforderungen für die Vorlage von Unterlagen im Rahmen eines Leistungsantrages sowie die Geltung der DSGVO für den Antragsgegner.
Der Antragsteller bezieht derzeit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er beantragte am 20. Mai 2021 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII).
Die Voraussetzungen des Leistungsbezugs nach dem Vierten Kapitel SGB XII sind ab 1. September 2021 erfüllt Der Antragsteller erreicht die Altersgrenze gemäß § 41 Absatz 2 SGB XII am 1. September 2021.
Da die Antragsunterlagen nicht vollständig waren, forderte der Antragsgegner mit Schreiben vom 9. Juni 2021 weitere Unterlagen bei dem Antragsteller an, um das anzurechnende Einkommen aus dem vom Antragsteller ausgeübten Gewerbe zu ermitteln. Mit Schreiben vom 28. Juni 2021 bat der Antragsgegner den Antragsteller nochmals um Übersendung des Einkommenssteuerbescheides 2020 sowie Gewinn-/Verlustrechnungen der Monate Mai, Juni und Juli 2021. Der Antragsteller legte sodann geschwärzte Kontoauszüge vor sowie weitere diverse Unterlagen.
Der Antragsteller hat am 30. Juni 2021 Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Er trägt vor, die Forderungen des Antragsgegners seien so nicht berechtigt zum derzeitigen Zeitpunkt. Der Antragsgegner wolle ferner rechtliche Sachen, welche diesem nicht zustehen, weil es Dritte betreffe. Erst ab 1. September sei er im Leistungsbezug nach dem SGB XII. Daher stünden dem Antragsgegner auch erst dann die angeforderten Unterlagen zu. Ferner handele es sich um Unterlagen, die Zeiträume deutlich vor Antragstellung beträfen. Die Anrechnungsmöglichkeiten wäre derzeit jedoch Aufgabe des SGB II Trägers. Die vom Antragsgegner angeforderten Unterlagen seien offenkundig ungeeignet, die Bedürftigkeit des Antragstellers ab September 2021 zu beurteilen. Ferner bestreite der Antragsgegner die Gültigkeit von gesetzlichen Datenschutzregelungen.
Der Antragsteller beantragt wörtlich,
1. dass der Kreis keine Forderungen an mich stellt vor dem 01. September 2021, weil ich erst ab da Geld kriege vom Kreis,
2. dass der Landkreis in Zukunft sich an die DSGVO hält, weil ich meine Kunden und Lieferanten schützen muss.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt vor, der Antragsteller verfüge über Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb. Wer Leistungen beantrage, müsse alle Tatsachen angeben, die für die Leistungen erheblich seien. Da auch die Einnahmen bei der Leistungsprüfung relevant seien, müssten diese nachvollziehbar nachgewiesen werden. Weder die angeforderten Einkommenssteuerbescheinigungen noch die Gewinn- und Verlustrechnung enthielten persönliche Angaben der Kunden und Lieferanten. Der Hinweis des Antragstellers, dass der Antragsgegner einen Anspruch auf die angeforderten Unterlagen erst ab Leistungsbeginn zustehe, gehe fehl.
II.
Der statthafte Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 86b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist teilweise zulässig, jedoch unbegründet.
Bezüglich des Antrages zu 2. ist der Antrag bereits unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers besteht nicht. Der Antragsteller hat mit seinem Antrag das streitige Rechtsverhältnis (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) nicht hinreichend konkretisiert hat. Insoweit gelten im Eilverfahren dieselben Maßstäbe wie für die Feststellungsklage nach § 55 SGG (siehe Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 86b, Rn. 25b). Ein Antrag ist danach nur zulässig, wenn zwischen den Beteiligten die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen konkreten, bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (so BVerwG, 25.03.2009 - 8 C 1/09). Daran fehlt es hier. Der Antrag zu 2. ist so allgemein gefasst, dass sein Erfolg die Rechtssituation des Antragstellers nicht verbessern könnte. Denn die DSGVO gilt für den Landkreis Waldeck-Frankenberg ohnehin unmittelbar und zwingend. Sollte ein hinreichend konkreter Sachverhalt auftreten...