Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. zeitbezogene Plausibilitätsprüfung. Überschreitung der Zeitprofile
Leitsatz (amtlich)
Eine hohe Patientenzahl, besondere Sprechstunden-/Praxisöffnungszeiten oder besondere Strukturen der Praxis können die Überschreitung der Zeitprofile nicht rechtfertigen, da maßgeblich der plausible Zeitaufwand Gegenstand der Überprüfung ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 650.509,01 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung aus einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung bezüglich der fünf Quartale I/11 bis I/12 in Höhe von 650.509,01 €.
Herr A. ist Facharzt für Allgemeinmedizin und war mit Einzelpraxis im hausärztlichen Versorgungsbereich in A-Stadt zugelassen. Seit 01.09.2008 betreibt er mit Herrn C., Facharzt für Innere Medizin, ebf. zugelassen für den hausärztlichen Bereich, die klagende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in A-Stadt. Die Klägerin beschäftigte vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 Herrn D. als Weiterbildungsassistenten.
Die Beklagte setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Vorquartalen I/09 bis IV/10 gegen die Klägerin eine Honorarrückforderung in Höhe von 538.739,39 € fest. In der mündlichen Verhandlung zum Aktenzeichen S 16 KA 447/14 vor der 16. Kammer des SG Marburg verglichen sich die Beteiligten auf eine reduzierte Rückforderungssumme in Höhe von 363.044,04 €. Hintergrund war, dass die Beklagte einen Weiterbildungsassistenten nicht hinreichend berücksichtigt hatte. Über die Rückforderung aus einer Plausibilitätsprüfung bezüglich der sechs Quartale II/12 bis III/13 in Höhe von 147.405,38 € ist ein weiteres Verfahren unter dem Az.: S 12 KA 314/19 anhängig. Die Beklagte setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Quartalen I bis III/08 in Bezug auf die Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gegen Herrn A. eine Honorarrückforderung in Höhe von 70.813,85 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017 - S 16 KA 446/14 - hob die Honorarrückforderung für das Quartal II/08 (25.567,50 €) auf und wies im Übrigen die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 46/17). Die Beklagte setzte für die Quartale IV/08 - IV/10 in Bezug auf die Tätigkeit des Herr A. im Ärztlichen Bereitschaftsdienst eine weitere Honorarrückforderung in Höhe von 651.035,66 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017 - S 16 KA 362/15 - wies die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 47/17). Die Klage gegen eine weitere sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen implausibler Honorarabrechnungen in den Quartalen I/11 bis IV/11 in Bezug auf dessen Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst in Höhe von 73.136,77 € wies die Kammer mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2019 - S 12 KA 601/17 - ab (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 8/19). Über die Rückforderung aus einer patientenbezogenen und ergänzenden Plausibilitätsprüfungen der ÄBD-Honorarabrechnungen der sieben Quartale I/12 bis III/13 in den ÄBD-Bezirken E-Stadt, A-Stadt - mit Ausnahme des Quartals IV/12 - und F-Stadt in Höhe von insgesamt 138.954,72 € ist ein weiteres Verfahren unter dem Az.: S 12 KA 315/19 anhängig.
In den streitbefangenen Quartalen I/11 bis I/12 setzte die Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar der Klägerin wie folgt fest:
|
Quartal |
I/11 |
II/11 |
III/11 |
IV/11 |
Honorarbescheid v. |
24.06.2011 |
04.10.2011 |
12.01.2012 |
02.04.2012 |
Gesamthonorar netto in € |
224.427,86 |
212.834,76 |
220.574,42 +82.808,10 |
240.109,20 |
Bruttohonorar PK + EK gesamt in € |
226.817,29 |
214.372,34 |
222.844,79 |
244.311,51 |
Fallzahl gesamt PK + EK |
4.242 |
4.107 |
4.053 |
4.154 |
|
Quartal |
I/12 |
Honorarbescheid v. |
03.07.2012 |
Gesamthonorar netto in € |
227.441,82 |
Bruttohonorar PK + EK gesamt in € neu |
228.710,43 |
Fallzahl gesamt PK + EK |
4.257 |
Die Beklagte führte für die Quartale I/11 bis III/13 eine Plausibilitätsprüfung durch. Sie übersandte der Klägerin unter Datum vom 12.06.2015 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für diese Quartale unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.
Die Klägerin äußerte sich hierzu über ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.09.2015. Sie wies auf die Nichtberücksichtigung ihres Weiterbildungsassistenten hin, der mit einem halben Quartalsprofil von 390 Stunden berücksichtigt werden müsse. Ebenso müsse die Größe der Praxis berücksichtigt werden. Die Zeitüberschreitung der Quartalsprofile sei durch die überdurchschnittlich hohe Anzahl an Patienten, die in Ihrer BAG von nur zwei Ärzten behandelt würden, plausibel erklärbar. Ihre Patientenzahl läge bei 3.660 bis 4.375 Patienten/Quartal, während die Fachgruppe im Durchschnitt ca. 950 Patienten/Quartal behandeln würde. Allein durch die Prüfzeiten für die Versichertenpauschalen würden ihre Prüfzeiten für zwei Ärzte ausgeschöpft. Die durchschnittlichen Prüfzeiten würden sich an durchschnittlichen Behandlungsfallzahlen orientieren. Für ihre Praxis müssten für einzelne Leistungen die Prüfzeiten he...