Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Erteilung eines Versorgungsauftrages zur Erbringung von Dialyseleistungen. statusbegründende Bedeutung. Auflösung. Gemeinschaftspraxis. kein vollständiger Entzug. grundrechtlicher Schutz der Vertragsarztzulassung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erteilung eines Versorgungsauftrags nach Anlage 9.1 zum BMV/EKV kommt für Nephrologen eine statusbegründende Bedeutung zu. Nach Auflösung einer Gemeinschaftspraxis kann der Versorgungsauftrag nicht ohne gesetzliche Grundlage einem der beiden früheren Partner vollständig entzogen werden (Anschluss an LSG Halle vom 10.5.2004 - L 4 B 8/04 KA ER - juris).

 

Orientierungssatz

Der Anspruch eines Arztes auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist grundrechtlich durch Art 12 Abs 1 GG geschützt. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt, vorgenommen werden (vgl ua BSG vom 5.11.1997 - 6 RKa 52/97 = BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr 16).

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 31.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2006 wird festgestellt, dass der mit Bescheid vom 20.11.2002 der Klägerin erteilte Versorgungsauftrag zur Erbringung von Dialyseleistungen fortbesteht.

2. Die Beklagte hat die Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung eines Versorgungsauftrags zur Erbringung von Dialyse-Leistungen.

Die Klägerin, die zuvor als Oberärztin einer Universitäts-Klinik tätig war, und Herr Dr. med. C, der seit 1991 in eigener Praxis niedergelassen ist, schlossen zum 01.07.2000 einen Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Klägerin und Herr Dr. med. C sind beides Fachärzte für Innere Medizin/Nephrologie. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 30.05.2000 wurde die Gemeinschaftspraxis genehmigt.

Die Beklagte erteilte mit Bescheid vom 20.11.2002 der Klägerin die Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrages im Rahmen der Übergangsregelung gemäß der Anlage 9.1 zum Bundesmantelvertrag - Versorgung chronisch nierensuffizienter Patienten -. Zur Begründung führte sie aus, die Fachkommission habe festgestellt, dass die Klägerin die in § 8 Abs. 1 der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge geforderten Bedingungen erfülle. Sie erteile ihr deshalb die "Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrages gemäß § 3 Abs. 3 der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge zur gemeinsamen Berufsausübung mit Herrn Priv.-Doz. Dr. med. C für die Behandlung von bis zu 150 Dialyse-Patienten gemeinsam mit einer weiteren angestellten Ärztin, die insbesondere die fachlichen Voraussetzungen nach der Qualitätssicherungsvereinbarung erfüllt". Die Genehmigung wurde mit Wirkung ab 01.07.2002 erteilt und erstreckte sich auf die Dialyse-Praxis in A-Stadt sowie auf die ausgelagerten Betriebsstätten in SB. und NH.. Ferner konnte die Genehmigung widerrufen werden, falls die bei der Erteilung zugrunde liegenden Voraussetzungen tatsächlich nicht erfüllt gewesen seien oder nachträglich entfielen.

Die Zusammenarbeit der Parteien gestaltete sich - jedenfalls - ab dem Jahre 2002 problematisch. Da eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit nicht zustande kam, kündigte Herr Dr. med. C den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 12.12.2003 ordentlich und erklärte zugleich unter Berufung auf § 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Übernahme der Gemeinschaftspraxis. Seit dem 26.10.2005 betreibt die Klägerin in A-Stadt eine Einzelpraxis als Nephrologin ohne Sonderzulassung zur Dialyse. Über die Kündigung führten die Klägerin und Herr Dr. med. C einen Zivilrechtsstreit. LG Limburg, Urt. vom 06.12.2004 - 1 0 683103 - gab den Hauptanträgen der Klägerin im Wesentlichen statt und wies die Widerklage ab. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.10.2005 - 16 U 3/05 - wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. BGH, Urt. v. 07.05.2007 - 11 ZR 281/05 - GesR 2007, 365 = NJW-RR 2007, 1256 = ZMGR 2007,81 = MedR 2007,595 wies die Revision der Klägerin zurück.

Am 24.10.2005 teilte Herr Dr. med. C dem Zulassungsausschuss mit, dass ab sofort die Gemeinschaftspraxis beendet sei. Am 26.10.2005 teilte die Klägerin mit, dass sie die Gemeinschaftspraxis ab dem heutigen Tage auflösen möchte. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 29.11.2005 die Beendigung der Gemeinschaftspraxis zum 26.10.2005 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss v. 03.05.2006 als unzulässig zurück. Die hiergegen am 04.08.2006 erhobene Klage vor der Kammer (Az.: S 12 KA 871/06) zog die Klägerin am 21.08.2007 zurück.

Am 13.12.2005 beantragte Herr Dr. med. AT. D, der mit Herrn Dr. med. C eine Gemeinschaftspraxis bilden wollte, eine Sonderbedarfszulassung nach § 24 e BedarfsplRL-Ä als Internist mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie. Dr. C und Dr. D beantragten ferner, ihm, Dr. D, eine...

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