Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Prüfungseinrichtung. tatsächliche Erbringung der abgerechneten Leistungen. Wahlfeststellung. Absetzung von Leistungen nach Nr 7750 GOÄ (juris: GOÄ 1982)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Prüfungseinrichtungen dürfen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung davon ausgehen, dass der Vertrags(zahn)arzt die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, und diese Leistungen ihrer Beurteilung zugrunde legen (vgl BSG vom 28.10.1992 - 6 RKa 3/92 - BSGE 71, 194 = SozR 3-2500 § 106 Nr 15, juris RdNr 23 f).

2. Eine Wahlfeststellung kommt nicht ausschließlich dann in Betracht, wenn sich die Frage, auf welcher alternativen Ursache der Mehraufwand beruht, nicht allein anhand der Behandlungsausweise, sondern nur durch nachträgliche Befragung des Arztes oder der Patienten beantworten lässt, sondern bereits dann, wenn ein erhöhter Prüfaufwand besteht, da es dann an der Offenkundigkeit des Abrechnungsfehlers fehlt. Von einem erhöhten Prüfaufwand ist auszugehen, wenn eine (zahn-)medizinische Expertise erforderlich ist und die sachlich-rechnerische Berichtigung nicht allein maschinell oder durch nicht (zahn-)ärztliche Prüfer erfolgen kann (vgl bereits SG Marburg vom 27.3.2019 - S 12 KA 71/18 -, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 38/19 -).

3. Leistungen nach Nr 7750 GOÄ (ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht) können im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung abgesetzt werden, wenn die Arztbriefe nicht vorgelegt werden.

4. Im Übrigen Parallelverfahren zu SG Marburg vom 5.12.2018 - S 12 KA 127/18 - juris und - S 12 KA 201/18 - juris, jeweils Sprungrevision anhängig unter B 6 KA 2/19 R und 3/19 R.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.05.2020; Aktenzeichen B 6 KA 25/19 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat 94 % der Gerichtskosten und der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten, der Beklagte 6 % der Gerichtskosten und der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten - nach Erlass zweier Änderungsbescheide und der Abgabe eines Teilanerkenntnisses - noch um eine Honorarkürzung in Höhe von insgesamt 2.061.583,64 € bzw. nach Berücksichtigung der Degressionskürzung und des HVM-Einbehalts von 1.445.450,00 € für die drei Quartale IV/12 bis II/13 und hierbei um - vor Abzügen - sachlich-rechnerische Berichtigungen nach Nr. 7750 GOÄ um 55.800,67 € (46.552,65 € und 9.248,02 €), Kürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im PAR-Bereich in Höhe von 636,09 €, im KB-Bereich in Höhe von 5.291,35 € und bezogen auf den Gesamtfallwert in Höhe von 1.999.856,14 € bzw. nach Teilanerkenntnis vom 05.06.2019 um eine Honorarkürzung in Höhe von insgesamt 1.359.633,32 € netto.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und als solcher zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist ferner Zahnarzt, Herr C. C. ist Zahnarzt, und Frau Dr. D. ist Zahnärztin. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Ferner beschäftigte die Klägerin in den Quartalen IV/12 und I/13 zwei Zahnärzte mit insgesamt zwei Versorgungsaufträgen und im Quartal II/13 vier Zahnärzte mit insgesamt vier Versorgungsaufträgen. Der Beklagte ist der Gemeinsame Beschwerdeausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen.

In den streitbefangenen Quartalen IV/12 bis II/13 stellte sich die Abrechnung der Klägerin in Bezug zu der allgemeinen Vergleichsgruppe der in Hessen zugelassenen Vertragszahnärzte wie folgt dar:

Quartal

IV/12

I/13

II/13

Fallzahl VZA*

3.494

3.169

3.347

Fallzahl VG**

556

469

498

Ø Punkte pro Fall VZA*

284

285

346

Ø Punkte pro Fall VG Zahnärzte**

82

97

92

VZA* = Klägerin

VG** = Vergleichsgruppe der hessischen Zahnärzte

Und in Bezug zu der Vergleichsgruppe der in Hessen zugelassenen hessischen MKG-Chirurgen mit vertragszahnärztlicher Zulassung (104, 108 und 107) stellte sich die Abrechnung der Klägerin wie folgt dar:

Nr.

IV/12

I/13

II/13

Fallzahl VZA*

3.494

3.169

3.347

Fallzahl VG**

679

720

743

Ø Punkte pro Fall VZA*

284

285

346

Ø Punkte pro Fall VG Zahnärzte**

144

148

143

VZA* = Klägerin

VG*** = Vergleichsgruppe der hessischen MKG-Chirurgen mit vertragszahnärztlicher Zulassung

Der Gemeinsame Ausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen wählte am 13.02.2013, 08.05.2013 und 14.08.2013 die Praxis der Klägerin bzgl. der streitbefangenen Quartale zur Prüfung aus. Daraufhin leitete die Gemeinsame Prüfungsstelle der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen für die streitbefangenen Quartale ein Prüfverfahren ein, was sie der Klägerin unter Datum vom 22.02.2013, 24.05.2013 und 22.08.2013 mitteilte.

Die Prüfungsstelle lud die Klägerin unter Datum vom 20.11.2014 zu einer Prüfsitzung bzgl. des Quartals III/12 und der streitbefangenen Quartale am 17.03.2015 unter Übersendung einer Pa...

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