Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Erweiterte Honorarverteilung. Beitragspflicht von Berufsausübungsgemeinschaften für angestellte Ärzte
Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach der Neufassung des § 8 KVHG durch das hessische Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung und Kassenzahnärztliche Vereinigung vom 14.12.2009 (GVBl HE I 2009, 662) und der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung (GEHV) zum 1.7.2012 sind Berufsausübungsgemeinschaften verpflichtet, für ihre angestellten Ärzte Beiträge zur EHV zu leisten.
2. Im Übrigen Parallelverfahren zu SG Marburg vom 5.11.2014 - S 12 KA 420/14.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 31.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 16.04.2014 wird die Beklagte verpflichtet, über die Eingruppierung der Frau EA. und die Festsetzung des Quartalsbeitrags zur EHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin und die Beklagte haben jeweils zu ½ die Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der EHV-Beitragsklasse 6 und des EHV-Beitrags in Höhe von 3.762,00 € je Quartal, was einem Jahresbetrag von 15.048,00 € entspricht, für die bei der klagenden Berufsausübungsgemeinschaft angestellte Fachärztin für Humangenetik Frau EA. nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (GEHV) für das Beitragsjahr 2012/2013.
Die Klägerin eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis), die seit dem 01.07.2010 besteht. Frau Dr. A1 ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin sowie Fachärztin für Humangenetik zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie war vom 02.01.1995 bis 30.06.2010 in Einzelpraxis tätig, seit dem 01.07.2010 führt sie zusammen mit der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Frau Dr. med. A2 eine KV-übergreifende überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. Die Fachärztin für Humangenetik Frau EA. ist bei Frau Dr. A1 seit 01.07.2008 angestellt.
Die Beklagte setzte in den Quartalen I/10 bis IV/10 das Honorar der Frau Dr. A1 bzw. ihr Honorar innerhalb der Berufsausübungsgemeinschaft und das der Frau EA. durch Honorarbescheid wie folgt fest:
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Quartal |
I/10 |
II/10 |
III/10 |
IV/10 |
Honorarbescheid vom |
29.06.2010 |
27.09.2010 |
28.12.2010 |
30.03.2011 |
Nettohonorar gesamt in € |
188.852,67 |
167.982,08 |
117.891,28 |
154.775,41 |
Bruttohonorar PK + EK in € |
192.871,78 |
173.127,43 |
117.103,93 |
158.555,66 |
Fallzahl PK + EK |
418 |
443 |
445 |
550 |
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Klägerin |
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Bruttohonorar PK + EK in € |
92.414,02 |
115.971,97 |
82.249,84 |
106.798,07 |
EHV-Einbehalt in € |
3.625,06 |
4.613,55 |
3.280,71 |
4.178,97 |
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Frau EA. |
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Bruttohonorar PK + EK in € |
100.457,76 |
57.155,46 |
34.854,09 |
51.757,59 |
EHV-Einbehalt in € |
3.940,55 |
2.273,46 |
1.391,15 |
2.027,82 |
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§ 5 GEHV |
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Kostenanteil (ohne vollständig befreite Honoraranteile) in € |
163.174,33 |
165.249,04 |
138.548,40 |
220.298,96 |
Nicht EHV-relevante Honoraranforderung in € |
39.503,51 |
42.664,12 |
36.371,94 |
53.160,25 |
Verbleibende Honoraranforderung in € |
202.677,84 |
207.913,16 |
174.863,34 |
273.327,21 |
Abzügl. berücksichtigungsfähiger Kostenanteil in € |
49.674,72 (24,5092%) |
48.817,59 (23,4798%) |
40.624,34 (23,2324%) |
67.235,76 (24,5990%) |
Verbleibt in die EHV einzubeziehende Honoraranforderung in € |
153.003,12 |
159.095,57 |
134.238,39 |
206.091,45 |
Die Beklagte stufte mit Bescheid vom 31.08.2012 für den Zeitraum 01.07.2012 bis 30.06.2013 Frau EA. in die Beitragsklasse 6 ein und setzte danach den Beitrag je Quartal auf 3.762,00 €, was einem Jahresbetrag von 15.048,00 € entspricht, fest. Hierbei ging sie von folgenden Eckdaten aus:
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Gesamthonorar 2010 |
258.332,25 |
Durchschnittshonorar 2010 |
205.389,02 € |
Anteil am Durchschnittshonorar |
125,78 % |
Ermittelte Beitragsklasse |
6 |
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung legte sie mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.6.2013 insb. dar, dass es an einer Rechtsgrundlage für die GEHV fehle und sie in ihren Grundrechten verletzt werde.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf die Neuregelung der GEHV zum 01.07.2012 hin, die angesichts einer wachsenden Anzahl von EHV-Empfängern und einer gleichzeitig abnehmenden Anzahl von Einzahlern erforderlich geworden sei. Jeder aktive Arzt werde danach in eine der neun Beitragsklassen eingestuft (§§ 3 Abs. 2, 10 Abs. 3 GEHV). Grundlage für die Einstufung bilde das prozentuale Verhältnis des arztindividuellen Honorars am Durchschnittshonorar aller aktiven Vertragsärzte (Beitragszahler). Dabei sei für die Ermittlung der Durchschnittshonorare auf das Vorvorjahr abzustellen, für den Zeitraum III/12 bis II/13 seien somit die Honorare des Jahres 2010 maßgeblich. Die Berechnung des zugrunde gelegten Honorars für das Jahr 2010 in Höhe von 258.332,25 € stelle sich folgendermaßen dar, wobei die Beklagte die Honorare für di...