Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Dokumentationspflicht. Nachweis einer wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Leistungserbringung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Absetzen der gesamten Behandlung wegen nicht ausreichender Dokumentation
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit die (zahn)ärztliche Dokumentationspflicht in erster Linie therapeutischen Zwecken dient, wird sie im Rahmen des Sachleistungsprinzips innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erweitert und dient auch zum Nachweis einer wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Leistungserbringung.
2. Fehlt es an einer ausreichenden Dokumentation zum Nachweis einer der Behandlungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses entsprechenden Parodontosebehandlung, so kann die gesamte Behandlung wegen Unwirtschaftlichkeit abgesetzt werden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in 46 Parodontose-Behandlungsfällen im Zeitraum Juni 2005 bis Juni 2006 in Höhe von insgesamt 21.111,61 €.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Im streitgegenständlichen Zeitraum bestand sie aus drei zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit Mai 2003 zugelassenen Zahnärzten. Zwischenzeitlich ist für Frau Dr. med. dent. C. Frau D. nachgefolgt.
Die DAK beantragte am 01.06.2006 die Prüfung der PAR-Behandlungen in 17 Behandlungsfällen im Zeitraum Mai 2005 bis März 2006, der BKK Landesverband am 11.07.2006 in 8 Behandlungsfällen im Zeitraum Juni bis Dezember 2005 und die AOK am 11.08.2006 in 24 Behandlungsfällen im Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2006.
Der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung am 30.10.2007 unter Beifügung einer Liste mit 49 Behandlungsfällen (AOK: 24 Behandlungsfälle; DAK 17 Behandlungsfälle; BKK acht Behandlungsfälle). An der Prüfsitzung nahm Dr. E. teil.
Mit Bescheid vom 30.10.2007 setzte der Prüfungsausschuss eine Honorarberichtigung in Höhe von 8.237,24 € fest. In 16 von 17 Behandlungsfällen DAK-Versicherter setzte er die komplette PAR-Behandlung ab, in dem weiteren Behandlungsfall ergab die Überprüfung keine Beanstandung.
Mit weiterem Bescheid vom 30.10.2007 setzte der Prüfungsausschuss eine Honorarberichtigung in Höhe von 2.321,91 € fest. In fünf Behandlungsfällen BKK-Versicherter setzte er die komplette PAR-Behandlung ab, in zwei weiteren Behandlungsfällen nahm er Absetzungen einzelner Leistungen vor.
Mit weiterem Bescheid vom 30.10.2007 setzte der Prüfungsausschuss eine Honorarberichtigung in Höhe von 10.552,46 € fest. In allen 24 Behandlungsfällen AOK-Versicherter setzte er die komplette PAR-Behandlung ab.
Gegen alle drei Bescheide legte die Klägerin am 18.04.2008 Widerspruch ein. Sie trug vor, bei der Prüfung durch den Prüfungsausschuss sei es nicht darum gegangen, ob die von der GKV genehmigte und bezahlte Behandlung erfolgreich gewesen sei, sondern ob sich Angriffspunkte in Einzelpositionen ergeben habe, um die Behandlung als nichtvertragsgerecht abstempeln zu können. Die Prüfung könne sich nur auf vertragszahnärztliche Leistungen erstrecken. Im Gegensatz zu den bis Ende 2003 gültigen Richtlinien (Vorbehandlung sei pauschal in der P200 enthalten gewesen) habe man die Vorbehandlung aus dem vertragszahnärztlichen Leistungskatalog (aus Kostengründen) herausgenommen und ganz bewusst als Privatleistung eingeführt. Insofern könne eine Prüfung diesbezüglich nicht erfolgen. Die Forderung bezüglich der Angaben der Daten der Vorbehandlung oder Forderungen nach Erhebung verschiedener Indizes, die Aussagen zur gingivalen/parodontalen Gesundheit erlaubten (API / Quigley-Hein) seien nicht durch die Richtlinien gedeckt. Die Forderung des Prüfungsausschusses nach lehrbuchhaftem Ablauf einer jeden PA-Therapie widerspreche klinischer Realität. Beispielhaft zu nennen sei die Forderung nach “Fehlen von Zahnstein und sonstigen Reizfaktoren„. Bei Patienten, denen eine professionelle Zahnreinigung aus ökonomischen Gründen nicht möglich sei, dürfte keine PA-Therapie durchgeführt werden. Den Patienten dürfe aber eine solche Therapie nicht verweigert werden. Allein unter diesem Aspekt seien die Entscheidungen des Prüfungsausschusses in den Fällen inakzeptabel, bei denen bestimmte Fristen und Daten der Vorbehandlung bemängelt würden. In keinem Abschnitt der Richtlinien seien bestimmte Fristen festgelegt. Die Richtlinien überließen den Behandlern die Entscheidung der zeitlichen Abfolge der einzelnen Behandlungsschritte im Rahmen der konservierend-chirurgischen und PA-Therapie. Extraktionen könnten auch in Sitzungen der PA-Therapie erfolgen, bei denen ohnehin anästhesiert werde. Auch spreche nichts dagegen, chirurgische oder konservierende Maßnahmen, die nicht mit der PA-Therapie inte...